Zeitreise ins Leben (German Edition)
sind nicht so verheerend, wie ich sie bei anderen schon gesehen habe. Da kann er von Glück sagen, in die Hände eines Könners geraten zu sein!“ Bonifazius schien davon ehrlich überzeugt und ich schnaubte empört.
„Schaut nicht so, Elisabeth! Der König hätte ihn genauso gut zu einem Krüppel machen oder dem sicheren Tod weihen können. Beides ist hier nicht der Fall, weil mit Bedacht vorg e gangen worden ist. Diese schmale Gradwanderung kann nur von einem ausgebildeten Folte r knecht durchgeführt werden, der schon einige Jahre Berufse r fahrung hat. Ihr glaubt ja nicht, wie viele furchtbare Verletzungen ich schon behandelt habe. So ma n cher Scherge wird zu einer Bestie in Menschengestalt, wenn er erst mal Blut riecht. Aber wir sollten nicht uns e re Zeit mit der Kunst des richtigen Folterns verschwenden. Wo waren wir doch gleich? Ach, ja! Die Wunden, die ich also erwähnt habe, die konnte ich mühelos reinigen und ve r sorgen.“
„Und wie habt Ihr das gemacht?“, fragte ich spontan, weil ich nicht wusste, wie das im 13ten Jahrhundert so ablief.
„Was seid Ihr doch für eine wissbegierige, junge Dame! Aber genau das schätze ich an Euch, Elisabeth! Also, wenn Ihr es wirklich wissen wollt: Den einen Tag reibt man die Wunde mit Alkohol ab – einer wahrlich guten Erfindung, der letzten Jahre – und danach setzt man gezielt Maden in die Wunden und lässt sie weiden, bis keine Entzündungen mehr vo r handen sind.“ W a rum hatte ich nur gefragt! Mein Gesicht musste sich spontan grün verfärbt haben, denn bei meinem Anblick begann Bonifazius herzhaft zu lachen. E r zerkrümelte sich förmlich.
„Ihr wolltet es ja unbedingt wissen “, grinste er weiter und rieb sich zufrieden seinen Bauch. „Jetzt könnt Ihr also durchaus noch den Rest vertragen, meint Ihr nicht ? Zum Schluss we r den die Wunden lediglich mit einer Kräuterpaste abgedeckt und zwei Tage danach sind sie meist zart verheilt. Sofern natürlich keine Komplikationen, wie Fieber oder Wundbrand, hi n zukommen. Doch so wie es bei Raimund aussieht, besteht diesbezüglich ke i ne Gefahr mehr. Das, was mir in den erste n Tagen die meiste Sorge bereitet hat, waren seine Zehen.“
„Seine Zehen?“, wiederholte ich verwundert.
„Ja, seine Zehen “, bestätigte er erneut. „Ich musste ihm beinahe drei davon amputieren.“ Er seufzte und ich war zum ersten Mal wirklich schockiert. „Das war das Einzige, wo diese Gott verdammten – vergib mir, Herr – Henkersknechte ihr Handwerk verpfuscht haben.“ Seine Bitte um Vergebung kam so selbstverständlich und nebenbei, als würde der gute Bruder Bonif a zius recht oft fluchen.
„Glühende Dornen schlecht platziert sind und bleiben nun einmal eine große Gefahr. Di e se Wunden unterhalb der Nägel haben sich stark entzündet und das ganze Bein gefährdet. Aber keine Angst! Nun wird er seine Zehen und seinen Fuß behalten können. Vielleicht kann er die eine oder andere Zehe nicht mehr ganz bewegen, doch er wird sie behalten.“
„Gott sei Dank “, brach es aus mir hervor und ich musste den lieben Freund umarmen, selbst wenn ich ihn damit vollkommen überrumpelte. „Danke, Ihr seid wahrlich ein Künstler, um nicht zu sagen ein Heiliger! Ich wusste Ihr könnt ihm helfen.“ Er war natürlich nicht sehr e r baut über meinen emotionalen Ausbruch, doch sein Gesicht zeigte eine Ernsthaftigkeit, die nichts mit meiner ungestümen Umarmung zu tun hatte.
„Da ist noch etwas , Elisabeth “, meinte er und wirkte nachdenklich. „Der Herzog hat ein dreiwöchiges Martyrium hinter sich . Er ist ein Kämpfer, aber selbst er benötigt Zeit, um das Erlebte verarbei ten zu können. Was ich damit sagen möchte ist, dass körperliche Wunden oft schneller he i len als die Wunden der Seele. Es kann also durchaus sein, das er sich in der ersten Zeit wie ein Fremder verhält. Ich habe schon Männer erlebt, die sich nie ganz von der Folter erholt haben. Aber das werden wir erst nach einiger Zeit genau sagen können.“ Er stockte und blickte plötzlich betreten zu Boden, weil diese Inform a tion offen bar noch nicht alles war. „U nd ich weiß leider nicht, wie viel Zeit Ihr hier noch haben wer det “, ergänzte er im Flüsterton und mir wurde
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