Zeitreise ins Leben (German Edition)
dampfende m Wasser. Von der Möglichkeit, hier ein Vollbad nehmen zu können, hatte ich mich längst verabschiedet. Wobei ich mich schon von b e deutend mehr, als nur einem Bad, verabschiedet hatte. B aden war in diesem Jahrhundert nicht üblich und galt als unnatürlich. Wasser in allzu großen Mengen wurde als gefährlich und verrucht eing e stuft , weil v ermutlich die Wenigsten schwimmen konnten. Es gab zwar noch keine Inquis i tion oder Hexenverfolgung, aber die Furcht vor Zauber oder dem Teuflischen war doch stets unte r schwe l lig spürbar. Selbst Hanna hatte auf den Genuss einer Badewanne verzichtet, um auf Tsor nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf ihre „Andersartigkeit“ zu lenken. Für Bonif a zius war das scheinbar kein Problem gewesen, denn sein Geist war offen für viel Neues .
Schnell zog ich mein verdrecktes Gewand aus und schleuderte es in die nächste Ecke . Mit meinen Zehen probierte ich dann vorsichtig die Wassertemperatur. Es war nicht so heiß, wie ich es gerne hatte, doch es war ausreichend warm und absolut verlockend . Lautlos ließ ich mich in das dampfende Wasser hinein gleiten und sog genussvoll den Duft von liebliche m R o senöl ein. Bonifazius hatte ganze Arbeit geleistet!
Leise glucksende Wellen tanzten über meine Haut und ich sank tiefer und tiefer, entspannte mich und fühlte mich besser als in jedem Wellness-Hotel der Sonderklasse. Kerzenlicht spi e gelte sich im warmen Wasser und zauberte e i nen kupferfarbenen Ton auf meine Haut. Es war ein herrli ches Gefühl, ein schöner Anblick und das Loslassen von all dem Dreck, den ich in letzter Zeit erlebt hatte .
Als Bonifazius mich wieder abholte, fühlte ich mich wie ein ko m plett neuer Mensch und bedankte mich unzählige Male für seine Fürsorge. Die geborgte Mönchskutte war zwar rau, aber d a für sauber und er schien recht zufrieden, mich nun nicht mehr in Hosen zu sehen.
„Lieber Bruder Bonifazius! Bitte, ich möchte unbedingt noch Raimund sehen! Könnt Ihr mich zu ihm lassen?“, fragte ich spontan, weil ich den Moment seines Lächelns nu t zen wollte. D och Bonifazius war nicht sonderlich begeistert von meinem Anliegen und kratzte sich nac h denklich auf seiner Glatze. Letztendlich aber e r weichte ihn mein flehentlicher Blick.
Vor Raimunds Türe hielt er kurz inne, legte seinen Zeigefinger auf den Mund und deutete mir, dass ich leise sein solle. Dann öffnete er vor sichtig die Tür und ließ mich ein. Raimund lag schnarchend auf seiner Pritsche und war mit einer dicken Decke bis zum Kinn z u gedeckt.
„Ich finde dann schon selbst zurück in mein Zimmer. Bitte, kann ich mit ihm alleine sein?“, fragte ich und Bonifazius trat nervös von einem Bein auf s andere . Die ganze Zeit schon hatte er ein „Nein“ sagen wollen und nicht mit einer weiteren Forderung gerechnet. Doch mein Wunsch war so brennend, so unaufschiebbar und so deutlich zu e r kennen, dass ihn meine un glückliche Miene schon wieder milde stimmte. Resignierend schüttelte er seinen Kopf, überließ mir eine zusätzliche Kerze und teilte mir zum hundertsten Male mit, wie ich nach mein em kurzen (!) Besuch zurück in mein Zimmer finden würde. Er war alle r liebst in seinem Zweifel und ich hätte ihn am liebsten umarmt, doch Boni fazius hielt mich auf Abstand, mu r melte ein leises Gebet und ließ mich, ohne weitere Ermahnung, endlich a l leine.
Eine Zeit lang stand ich nur da, wagte kaum zu atmen und blickte Raimund ins ve r schrammte Gesicht. Er schlief fest und sein Brustkorb hob und senkte sich in friedlicher Gleichmäßigkeit. Ein tiefes Gefühl von Liebe und Glück durchströmte mich bei seinem A n blick und der G e wissheit, ihn in den besten Händen dieser Zeit zu wissen . Vorsichtig kam ich näher, setzte mich an seine Seite und versuchte dabei so leise als möglich zu sein. Die Pri t sche knarrte unter dem zusätzlichen Gewicht, aber Raimund schlief so fest , dass er davon nichts bemerkte. Sein Gesicht arbeitete im Schlaf und wenn ich das Gefühl hatte, eine schmerzhafte Erinnerung mischte sich in seine Träume, strich ich ihm zärtlich über den Kopf, um alle Sorgen zu vertreiben. Es war ein e fürsorgliche , fast mütterl i che Geste , ehe ich bemerkte, wie stark m eine Sehnsucht war , ihn zu berühren
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