Zeitreise ins Leben (German Edition)
wenn sie gerade Höllenqualen durchle i den musste.
„Raimund, du bist ganz blass. Kann ich dir irgendetwas bringen?“
„N ein! Ich reite sofort zum König “, stieß der wütend hervor und wollte sich gerade auf den Weg machen, als sich ihm Bonifazius todesmutig in den Weg stellte .
„Warte! Raimund! Zuerst musst du mich anhören!“
„Was noch?“, fragte der und bleckte die Zähne.
„Warte bis zum Turnier “, flehte der Bruder, doch Raimund wollte nicht hören, sondern nur möglichst rasch seiner Geliebten zu Hilfe kommen. Am liebsten hätte er seinen Freund ei n fach zur Seite stoßen, ihn ge treten und dann liegen ge la s sen .
„Raimund! Verflucht – oh, vergib mir, Herr! – bleib stehen! Überlege zuerst und bleibe ve r nünftig! Wenn du jetzt zum König gehst, wirst du gefangen genommen, mehr nicht. Du wü r dest alles verlieren und die Freilassung deiner Geliebten damit nicht gewährleisten!“ Die Wo r te sprudelten nur so aus ihm hervor und, obwohl die Kampfbereitschaft des Herzogs deutlich war und er in geduckter Haltung sprach, so waren seine Worte doch treffsicher und fest. „Wenn du hingegen auf das Turnier wartest, es gewinnst und tatsächlich einen Wunsch an den König richtest , dann und nur dann hast du eine Chance. Mein Gott, Raimund, verlier jetzt nicht den Kopf! Deine überstürztes Handeln hätte absolut keinen Sinn!“ Bonifazius hatte sich inzwischen zu seiner vollen Größe aufgerichtet und sein Gesicht spiegelte eine so l che Entschlossenheit, dass Raimund wirklich zu überlegen begann. Und es stimmt ja auch! In seinem Schmerz hatte er einfach die Nerven verloren und damit beinahe die einzige Chance verspielt, die ihm gebli e ben war. Mit einer Geste der Verzweiflung wischte er sich über sein Kinn und sah Bonifazius aus traurigen Augen an.
„ Ach , alter Freund ! Du hast ja R echt.“
16 . Kapitel
Das Abendessen war köstlich und mit Sicherheit mehr als eine einfache Gefangenenkost. A l leine diese Tatsache zeigte, wie sehr Friedrich an meine Genesung liegen musste . Das junge, stotternde Mädchen hieß Silvia und war so nett, dass ich ihr ständig Kompl i mente machte. Von ihr erfuhr ich, dass Friedrich nur selten in Hagenau anzutreffen war. Ihr Sto t tern war zeitweise ein wenig mühsam, doch sie war redlich bemüht, mich zu unterhalten und mir I n formationen über das Königshaus zu geben . So erfuhr ich allmählich, dass der König dieses Fleckchen Erde hier liebte , jedoch kaum Zeit für seine größte Leidenschaft, dem Jagen , hatte . Er musste schließlich seine Stellung behau p ten und ständig durchs Land ziehen, um Otto IV endgültig aus den Köpfen der Leute zu verbannen. Friedrich veranstaltete also nichts anderes als eine mittela l terliche, aber gezielte Promotionstou r, um sich selbst zu vermarkten. Das war freilich klug und int e ressant, aber f ür mich zählte in erster Linie, dass er viel unterwegs war und daher nicht allzu oft zugegen sein würde. Laut Silvia war Friedrichs Gattin, die ehrenwe r te Konstanze, ebenfalls nur selten in Hagenau anzutreffen. In einem Nebensatz erwähnte sie noch, wie schrecklich alt die Dame doch sei und wie leid ihr der schöne, arme König bei solch einer alte n Vettel tat . Allem Anschein nach war Silvia in den neuen Herren ebenso ve r narrt wie die meisten Damen. Ich musste mich jedenfalls gehörig zusammenreißen, um nicht laut zu protestieren . Dieses übertriebene Altersempfinden in diesem Jahrhundert hatte schon e i nen fahlen Beig e schmack , wenn ich mein eigenes, wahres Alter bedachte. Auf der anderen Seite fiel mir auf, dass die Menschen hier bereits in jungen Jahren überdurc h schnittlich reif waren und so war ich in meinem jungen Körper mit meiner Lebenserfahrung von 28 Jahren durc h aus gut aufgehoben. Insgeheim fragte ich mich natürlich schon, wie Raimund auf mich reagiert hätte, wenn ich ihm im verhutze l ten Alter von 28 Jahren und in stattlicher Größe von 1,80 Metern gegenüber getreten wäre. Ich wusste zwar, dass diese Übe r legungen nicht von Belang waren, doch wirklich au s löschen konnte ich sie nicht.
Silvia war in ihrem stotternden Redeschwall oft nicht zu bremsen. Seit Friedrichs Ankunft, im Jänner 1212, hatte er
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