Zeitreise ins Leben (German Edition)
n test Du nur so unvorsichtig sein und ihn annehmen? Und wie, zum Teufel, kommt ihre Tante dazu, sie derart in Gefahr zu bringen?“ Schnell kippte er den Rest vom Met in einem Zug he r unter und versuchte so den gröbsten Zorn im Zaum zu halten. Sein Freund konnte nichts dafür, doch umsichtiges Denken fiel Raimund zunehmend schwer .
„Der Brief hat den Entführer wahrscheinlich überhaupt erst auf die Spur gebracht, wenn nicht sogar auf direktem Weg zu ihr geführt!“
„Ich bin mir nicht sicher, ob du der Dame da nicht Unrecht tust “, wagte Bonifazius zu w i dersprechen. „Der Brief war ausgesprochen lange unterwegs. Frau Hanna hat dem Jungen extra ein paar U m wege aufgetragen, um mögliche Verfolger zu täuschen.“
„Schön und gut, Bonifazius. Aber lange Umwege können ebenso das Gegenteil bedeuten! Sehr wahrscheinlich ist der Brief dem König in die Hände gefallen und wir beide wissen g e nau, wie leicht dieser Mann einen Gefangenen zum Sprechen bringen kann. Gerade, wenn es sich um einen jungen Mann handelt!“ Die Logik Raimunds war bestechend und Bonifazius erschüttert, dass er nicht selbst auf diese Idee gekommen war.
„Das würde dann zuminde st den langen Briefweg erklären“, meinte Raimund. „ Der Brief war womöglich ausschlaggebend für den König, sich mit dem Abt in Verbindung zu setzen. Sicher hat er ihn dann unter Druck gesetzt, denn selbst ein Abt ist erpressbar. Friedrich ist nicht dumm und glaube mir, er ist sehr einfallsreich, wenn er etwas habe n will. “ Bonif a zius wollte etwas erwidern, doch Raimund winkte ab. Er war von seiner Theorie völlig übe r zeugt. „Für mich ist es klar! Der Abt hat alles verraten und dem König oder seinen Sold a ten Tür und Tor geöffnet! Und wenn es der Abt nicht selbst war, dann einer seiner Vertrauten! Dieser Christopherus war wahrscheinlich nur geschickte Ablenkung für den richtigen Verr ä ter. Ich vermute, es gab jemand anderen, der dir gezielt nachspioniert hat. Jemanden, den du in de i nem Leben nicht als Verräter erkennen würdest. Auch Äbte können in brenzligen Situ a tionen ausgesprochen hinterlistig werden, lieber Boni fazius.“ Der war noch sprachloser als zuvor, denn die Beteiligung des Abtes schien auch im allmählich sc hlüssig. Immerhin hatte er ihn just an diesem Abend zu eine r längere n Unterredung bestellt und wenn er tatsächlich noch einen zweiten Spion beauftragt hatte, war dem Elisabeths Badesehnsucht sicher nicht en t gangen. Elisabeths Bad am 18. Juni war zwar nicht geplant gewesen, aber für einen Beobac h ter auch i r gendwie nachvollziehbar und berechenbar.
„Raimund, du vermutest also Elisabeth in den Händen des Königs?“
„Ja “, antwortet Raimund knapp. „Niemand anderer kommt dafür in Frage! Keiner hier im Kloster hat wirklich einen Grund sie zu entführen. Nur der fleischlichen Gelüste wegen, gla u be ich kaum, dass einer deiner Brüder solch ein Wagnis eingegangen wäre. Sicherlich ist es eine Prüfung für einen keuschen Mann, wenn er eine nackte Frau beim Baden beobachtet, doch das scheint mir zu weit hergeholt.“ Bonifazius hatte ebenfalls schon an solch eine Var i ante gedacht, doch seine Brüder waren gottesfürchtige Menschen und würden etwas so U n besonnenes kaum tun, g e schweige denn eine harte Strafe durch den Abt riskieren.
„Was willst du nun tun? Wenn Elisabeth in seinen Händen ist, dann ist sie doch längst ve r loren, vermutlich sogar tot!“ Seine Worte waren nicht gerade diplomatisch, doch er sah keinen Sinn darin, unnötig schön zu färben. „Ich sehe, wie sehr dich diese Möglichkeit schmerzt, d och nachdem, was passiert ist ... ich meine, denk doch nach, Raimund! W as sie dem König angetan hat , ist für einen Mann ...“ Er sprach nicht weiter und es war auch gar nicht nötig. Raimund wusste, dass sie ihrem schlimmsten Feind in die Hände gefallen war. Der Gedanke daran machte ihn rasend und die Erinnerung an seine eigene, grausame Gefangenschaft ve r stärkte sein Verlangen, Elis a beth um jeden Preis aus den königlichen Klauen zu befreien. Dennoch glaubte er nicht an ihren Tod, sonst hätte Friedrich sich nicht die Mühe gemacht, sie mitzunehmen. Lebend und in einem war sie ein gutes Druckmittel gegen einen Feind wie ihn . Elisabeth war also noch nicht verloren, selbst
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