Zeitreisende sterben nie
verstehen können, eine üble Sache.
Harlan Ellison, Strange Wine
Sie kehrten zu der Villa mit den grünen Fensterläden zurück und stellten die Konverter so ein, dass sie ihre geografische Position beibehielten, aber sieben Jahre zurückreisten. An einem sonnigen Vormittag im Frühjahr 1633 trafen sie ein. Vögel sangen, und fünf oder sechs Kinder liefen auf einem Feld im Kreis herum. Eine leichte Brise wehte von Westen. Das Haus sah beinahe genauso aus, nur dass der Ostflügel fehlte. Offenbar war er erst nachträglich erbaut worden. Ein Mann in mittlerem Alter schnitt einen Farn zurück. Als er sie kommen sah, wischte er sich die Hände an einem Tuch ab und ging ihnen entgegen. »Ah, signori, kann ich helfen?«
»Hallo«, sagte Dave. »Soweit wir wissen, ist das das Haus von Signore Shelborne?«
»Aberja«, sagte er, »das ist es. Wünschen die Herren ihn zu sprechen?«
»Wenn Sie so freundlich wären.«
»Weiß er, dass Ihr kommt?«
Dave sah sich zu Shel um. »Das ist Adrian Shelborne«, sagte er. »Er ist der Sohn von Professor Shelborne.«
Shel fühlte, wie etwas über ihm zuschlug. Bitte, lass uns falsch liegen ...
»Ah, Signore Shelborne.« Er verbeugte sich. Kostete den Namen auf der Zunge. »Eccelente. Ich bin Albertino, und ich bin überzeugt, der gnädige Herr wird entzückt sein, Euch zu sehen.« Er führte sie zur Vordertür. »Er hat oft von Euch gesprochen.«
O Gott. Aber Shel hielt sein Lächeln aufrecht. »Wie geht es ihm? Ist er bei guter Gesundheit?«
»Es geht ihm recht gut, Herr, danke der Nachfrage.« Er öffnete ihnen die Tür und trat zur Seite. Albertino war ein kleiner Mann mit einem vollen Gesicht und schwarzen Locken. Wahrscheinlich über fünfzig; was zu dieser Zeit ein fortgeschrittenes Alter war.
Sie folgten ihm in ein geräumiges, behagliches Wohnzimmer mit etlichen Lehnsesseln, einem Sofa und einer herrlichen Aussicht auf die Stadt. Ein vollgestopftes Bücherregal stand neben der Tür. Ölgemälde schmückten die Wände: eine Landschaft, zwei Porträts von jungen Frauen und das Bild einer Reisekutsche samt Zugpferden.
Topfpflanzen standen auf einem Regal und einem kleinen Beistelltisch. »Darf ich um Euren Namen bitten, Herr«, wandte sich der Diener an Dave.
»David Dryden.«
»Danke sehr. Ich werde Dr. Shelborne von Eurer Anwesenheit unterrichten.«
Er verließ den Raum und ging durch eine Doppeltür zum rückwärtigen Teil des Hauses. Shel wäre ihm am liebsten gefolgt. Er konnte sich kaum zurückhalten. Umso mehr, als er Stimmen aus dem Hintergrund vernahm, einen Moment später gefolgt von zögerlichen Schritten. Er war längst auf den Beinen, als sein Vater, gestützt auf einen Gehstock, den Raum betrat.
Die Welt blieb stehen.
Er war ein alter Mann.
Shel musste genau hinsehen, um sicher zu sein, dass dies wirklich sein Vater war. Sein Haar war weiß, die Haut fahl und zerfurcht, und er trugjetzt einen Bart.
Mit unsicheren Schritten humpelte Michael auf ihn zu und legte die Arme um seinen Sohn. »Adrian«, sagte er.
»Bist du es wirklich?«
»Das ... was ist passiert?«
»Ich hatte einen Unfall, Adrian. Es tut so gut, dich zu sehen.«
»Es tut gut, dich zu sehen, Dad.« Sie umarmten sich noch einmal, ehe sie einen Schritt zurücktraten, um einander anzusehen.
»Mein Gott«, sagte der alte Mann. »Ich dachte, ich sehe dich nie wieder.«
Sie klebten förmlich aneinander. Albertino kam herein, hielt sich aber im Hintergrund und tat, als sei alles wie immer.
Dann wurde Michael ärgerlich. »Du solltest nicht hier sein.«
»Du auch nicht. Hast du eine Ahnung, was wir durchgemacht haben? Alle denken, du bist tot.«
»Das tut mir leid.« Michael setzte sich in einen Sessel. Dann sah er Dave an und fragte auf Italienisch: »Kenne ich Sie?«
Dave antwortete auf Englisch. »Ich bin Dave Dryden, Professor.«
»Oh, ja.« Er bedachte Shel mit einem vernichtenden Blick. »So viel zum Stillschweigen.«
»Ich werde nichts verraten«, versprach Dave.
Michael nickte, ohne seinen Sohn aus den Augen zu lassen. »Hoffen wir es.« Er winkte Albertino zu, er möge sie allein lassen. »Ist dir klar, was du getan hast, Adrian?«
»Nein, Dad, das ist mir in der Tat nicht klar. Vielleicht solltest du es mir erklären.«
»Setzt euch«, sagte er. »Ihr habt lange gebraucht, um mich zu finden.«
»Ich wusste nicht, wo ich suchen soll. Du hast mir nur etwas von Galileo erzählt.«
»Oh.« Er lächelte. »Habe ich das?«
»Ja«, sagte er, und es klang wie ein Kreischen.
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