Zeitreisende sterben nie
kommt man von einem Abend im neunzehnten Jahrhundert zurück, da wird man schon von Einbrechern angegriffen. Und dann hatten sie ihn umgebracht. Und das Haus niedergebrannt, um den Mord zu vertuschen. Es gab keinen Grund, warum es nicht so hätte passiert sein können.
Dave machte den beiden Ermittlern die Tür auf.
»Sie bleiben doch in der Gegend, falls wir Sie noch brauchen?«, fragte Lake.
Er versicherte ihr, er würde nicht verreisen und tun, was er konnte, um sie bei der Suche nach Shels Mörder zu unterstützen.
Es war schlimm genug gewesen, sich vorzustellen, Shel sei durch einen Willkürakt der Natur ums Leben gekommen. Aber der Gedanke, dass ein Verbrecher, der der Welt nichts zu geben hatte, es gewagt hatte, Shels Leben zu fordern, brachte ihn in Rage.
Am Montagabend wohnte er dem Gedenkgottesdienst für Shel in der Methodistenkirche bei. Jerry war Gemeindemitglied und hatte die Feier für seinen Bruder arrangiert, der seinerseits nicht viel Interesse an der Kirche gehabt hatte. Jerry war da, außerdem ein paar Cousins und Cousinen und Onkel und einige andere Leute, die Dave nicht kannte. Der Prediger lud diejenigen, die etwas zu sagen wünschten, ein, nach vorn zu kommen, und die Leute folgten dem Aufruf. Sie erzählten von einer streunenden Katze, die Shel aufgenommen hatte, und von seinen zwei Saisons als Trainer der Little League Panthers. Ein Angehöriger der örtlichen Humane Society berichtete, wie großzügig er stets sowohl mit seiner Zeit als auch mit seinem Geld verfahren sei.
Dave enthielt sich. Er hätte gern ein paar Worte über den Mann verloren, mit dem er sein Leben lang befreundet gewesen war. Aber er wagte nicht, etwas über Shel zu sagen, weil er nicht sicher war, ob er am Ende nicht in der Bibliothek von Alexandria landen würde. Oder bei Molly Brown.
Helen war auch da.
Als es vorbei war, ging er mit ihr zu Strattmeyer's. Sie nahmen ein paar Drinks, und sie schaute lustlos dem Verkehr auf dem Expressway zu. Sie tauschten all die üblichen Plattitüden darüber aus, dass sie nicht begreifen könnten, dass er nicht mehr da war, dass es nie wieder einen wie ihn geben würde, dass es einfach unfassbar wäre.
»Ich habe ihn Donnerstagabend noch gesehen«, sagte sie.
»Es tut mir leid, Helen.« Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
»Wir wollten heiraten.«
»Das überrascht mich nicht. Er hat dich geliebt, Helen.«
»Die Polizei war bei mir und wollte mit mir reden.«
»Bei mir waren sie auch.«
»Sie denken, er wurde ermordet, Dave. Ich kann das nicht glauben. Wer hätte ihn denn ermorden sollen?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann es mir auch nicht vorstellen. Das muss ein Missverständnis sein. Irgendwann wird sich alles aufklären.«
Außerdem war er nicht tot. Nicht richtig. Er lebt 1931, er lebt in New York am Tag des Sieges über Japan und im Lamplight in Durham. Zeitreisende sterben nie. Nicht richtig. Und in gewisser Weise sind wir alle Zeitreisende.
Irgendwie gibt es einen riesigen temporalen Strom, aber uns ist nur ein einziger Moment davon bewusst.
Funktioniert es so? Wandert nicht die Welt durch die Äonen, sondern nur unser Bewusst-sein, so als würde Licht durch eine Reihe dunkler Räume huschen? Oder, das war vielleicht eine bessere Analogie, so wie in einem altmodischen Film, in dem immer nur ein Bild pro Zeiteinheit vor der Lichtquelle ist?
Beim zweiten Drink hörte er auf. Er musste noch fahren, und er war schon ziemlich am Limit.
»Wirst du morgen da sein?«, fragte sie mit Blick auf die Beerdigung.
»Ja.«
»Ich bin froh, wenn es vorbei ist.«
Kapitel 35
Das schwerste und verhassteste diesseitige Leben, Das Alter, Schmerz, Armut und Gefangenschaft Einem Menschen auferlegen kann, ist ein Paradies Gegenüber dem, was wir vom Tod befürchten.
William Shakespeare, Measure for Measure
Während der Beerdigung konnte Dave sich nicht von dem Gedanken lösen, dass Shel jederzeit auftauchen und Hallo sagen könnte, ihn fragen, ob er und Katie ihm und Helen beim Abendessen Gesellschaft leisten wollten.
Eines der sonderbaren Phänomene, die mit plötzlichen und unerwarteten Todesfällen einhergehen, ist die Unfähigkeit, die Tatsache anzuerkennen, sobald man persönlich betroffen ist. Die Leute stellen sich unweigerlich vor, die Person, die sie verloren haben, sei in der Küche oder irgendwo nebenan und man müsste nur ihren Namen rufen, und schon würde sie am gewohnten Ort erscheinen. Dave empfand so in Hinblick auf Shel. Sie hatten viel Zeit
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