Zeitreisende sterben nie
Aber ich glaube, Sie haben vielleicht in letzter Zeit ein bisschen zu viel Stress gehabt. Ich meine, so was kann doch jedem passieren.«
Und tatsächlich hatte Shel Dr. Benson völlig vergessen. »Mir geht es bestens, Linda«, verkündete er. »Passen Sie auf, ich habe eine Menge Arbeit zu erledigen und bin nicht wahnhaft.«
»Sicher?«
»Wie lange kennen wir uns schon?«
»Tut mir leid, Shel. Aber gestern waren Sie mir ein bisschen unheimlich.«
»Ich weiß. Hören Sie, ich werde mich ganz still in mein Büro setzen und eine Stunde am Computer herumspielen.
Dann gehe ich zu Dr. Benson. Einverstanden?«
Benson musste um die achtzig sein. Er war nicht viel größer als sein Schreibtisch, und er sah aus, als würde er zu wenig essen. Aber sein betuliches Auftreten beruhigte Shel trotz seiner Vorbehalte. »Warum erzählen Sie mir nicht einfach, was passiert ist?«, schlug er vor.
Die Wahrheit, Dr. Benson, lautet, dass ich eine Zeitmaschine habe. Hab sie gleich hier in meinem Aktenkoffer.
»Doktor, mein Vater ist Michael Shelborne, der Physiker, der vor zwei Wochen verschwunden ist.« Er lieferte ihm einen fiktiven Bericht über die letzten paar Tage. Das Verschwinden seines Vaters belastete ihn so sehr, dass er verwirrt war und einen Tag aus dem Gedächtnis verloren hatte. »Aber jetzt erinnere ich mich wieder. Es ist alles wieder da.«
Benson stellte Fragen. War ihm so etwas schon einmal passiert? Wie war die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater? Hat es im Leben seines Vaters eine Frau gegeben? Und er fragte, welcher Tag gerade war (und hätte Shel damit beinahe erwischt). Wer saß derzeit im Weißen Haus?
Dann war es vorbei. »So etwas passiert immer wieder, Dr. Shelborne«, sagte er. »Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssten. Sie haben einen ernsthaften Schock erlitten, und manchmal, wenn so etwas passiert, wollen die Leute sich dem einfach entziehen. Also verdrängen wir das Geschehen aus unserem Gedächtnis. Oder wir vergessen stattdessen andere Dinge.« Er lächelte. »Seien Sie unbesorgt.«
Er fuhr zurück ins Büro und erzählte Linda, wie das Gespräch verlaufen war. Sie war erleichtert und sagte: »Sehen Sie? Es war doch gar nicht so schwer, nicht wahr?«
Im Lauf des Nachmittags besserte sich Shels Stimmung. Linda schien sein sonderbares Benehmen vergessen zu haben, und alles war wieder normal. Er verbrachte einen großen Teil seiner Zeit damit, über den Konverter nachzudenken, darüber, wo er gern hinreisen, was er gern erleben würde. Vielleicht die Gebrüder Wright. Die
»Ich-habe-einen-Traum«-Rede. Und er würde gern zurückreisen und sich ein paar der Spiele ansehen, bei denen er für die Teddy Roosevelt Highschool gespielt hatte. In einem Jahr hätten sie beinahe den Titel gewonnen. Gegen Ende des letzten und entscheidenden Spiels hatte er mit einem Double ins rechte Center-Field die Bases geleert.
Damit führten die Rough Riders mit einem Run Vorsprung, aber Lenny konnte die Führung nicht behaupten.
Verdammt. Es ärgerte ihn immer noch. Da schenkte Lenny im siebten Inning gleich drei gegnerischen Spielern einen Walk, und alles war vorbei. Seinem Vater würde das nicht gefallen, nein, er würde es nicht schätzen, aber am Ende würde er sich geschlagen geben. Das musste er, schließlich hatte er es selbst auch getan.
Und dann war da noch die Frage, wie sie erklären sollten, was Michael Shelborne während der letzten zehn Tage gemacht hatte. Aber letztendlich war das nicht Shels Problem.
Vor ihm lag ein Wochenende zum Feiern. Vielleicht mit Helen. Er hatte sie nicht um ihre Telefonnummer gebeten
-das hätte er tun sollen -, aber er fand sie ohne Schwierigkeiten im Telefonbuch.
Die Woche war schon etwas weit fortgeschritten, um jetzt noch ein Treffen für den Samstag zu vereinbaren, aber da gab es noch eine andere Möglichkeit.
An diesem Abend ging er mit dem Konverter in den Park und benutzte ihn, als er allein war, dazu, zum Vorabend, Mittwoch, zurückzukehren. Dann rief er sie über sein Mobiltelefon an.
Beim fünften Klingeln nahm sie ab. »Hallo?«
»Helen? Shel hier.«
»Wer?«
»Adrian Shelborne. Von den Devil's Disciples.«
»Ach, ja, natürlich. Wie geht es Ihnen, Shel?«
»Mir geht es gut. Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Nein, ich habe nur Zeitung gelesen.«
»Helen, ich habe mich gestern Abend wirklich gefreut, Sie
kennenzulernen.« (War das richtig? Hatte das wirklich erst einen Abend zuvor stattgefunden?) »Ich habe mich gefragt, ob ich Sie wohl
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