Zeitreisende sterben nie
überreden kann, am Samstag mit mir zu Abend zu essen.«
»Das ist nett von Ihnen, Shel, aber da habe ich bereits anderweitige Verpflichtungen.«
»Oh, wie schade.« Einige Augenblicke herrschte Schweigen, dann ergriff Shel wieder das Wort: »Wie wäre es dann nächste Woche?«
» Gern«, sagte sie. »Ich denke, das kriege ich hin.«
Am Donnerstagabend um zwanzig vor neun parkte er bequem vor dem Fernseher und sah sich Heavy Hitlers an, eine politische Sendung voller Leute, die sich gegenseitig niederbrüllten, überwiegend wegen Trivialitäten. Wem konnte der Normalbürger glauben? Wer verhielt sich widersprüchlich bezüglich dieser oder jener Belange? Shel war dankbar, dass in diesem Jahr keine größeren Wahlen stattfinden würden.
Er dachte darüber nach, was Zeitreisen für die Medien bedeuten würden. Man könnte mit einer Kamera zurückreisen und festhalten, was ein beliebiger Kandidat tatsächlich getan oder gesagt hatte (was vermutlich einen Gerichtsbeschluss erfordern würde). Sie könnten Sondersendungen über die Ermordung Cäsars bringen. Oder über Alexander, wie er die Perser und ihre Kriegselefanten bei - wo war das? Guagamela? - in die Schlacht führte. Sie konnten St. Augustin interviewen, mit Amenhotep darüber sprechen, wie es ist, ein Gott zu sein, und die religiösen Auseinandersetzungen auf Erden ein für alle Male beilegen. Sie konnten Richard III. interviewen (»Und was halten Sie von der Art, wie Shakespeare Sie porträtiert hat?«). Sie konnten mit Kolumbus auf dem Weg in die neue Welt sprechen und die Reaktion der Einheimischen beim Auftauchen der Schiffe am Horizont festhalten. Die Möglichkeiten faszinierten ihn zutiefst.
Der Moderator von Heavy Hitlers bemühte sich, einen der Experten lange genug zum Schweigen zu bringen, dass auch jemand anderes eine Chance bekam, sich zu äußern.
Die Show, die die Einschaltquoten wirklich hochtreiben würde, wäre die Talkshow aus der Zukunft. Die Nachrichten von morgen - heute. Man musste sich nur überlegen, wie viele Leute einschalten würden, um sich das anzusehen. Shel stellte sich vor, er wäre der Moderator einer solchen Sendung.
Er sah zur Uhr. Es war 8:47 am Abend.
Ein Wagen fuhr draußen vor. Türen öffneten und schlössen sich. Gelächter. Dann fuhr der Wagen wieder ab.
»Love in Bloom« ertönte. Er nahm ab. »Hi, Dad«, sagte er. »Du bist ein bisschen früh dran.«
»Shel?« Eine Frauenstimme.
»Ja? Wer ist da, bitte?«
»Charlotte.« Seine Cousine. »Hast du inzwischen irgendetwas Neues von deinem Vater gehört 7«
»Bisher nicht, Charlotte. Hör mal, kann ich dich zurückrufen? Es dauert nur ein paar Minuten. Ich erwarte gerade einen Anruf.«
» Und du hast gar nichts gehört ? Ich frage nur, weil du dich so komisch gemeldet hast.«
»Nein. Ich schätze, ich war ein bisschen durcheinander, Charlotte. Ich rufe dich gleich zurück, ja?« Er beendete das Gespräch und legte das Telefon auf den Kaffeetisch. Neben den Konnektor. Den Kaiibrator. Wie auch immer das verdammte Ding genannt wurde. Und er überlegte, wie er Charlotte erklären sollte, was los war. Und Jerry.
Und allen anderen.
Vielleicht war das doch nicht ausschließlich das Problem seines Vaters.
Bei Heavy Hüters war Werbepause. Nehmen Sie dies, um Ihre sexuelle Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Nehmen Sie jenes, um die arthritischen Knie loszuwerden. Dann war der Moderator wieder da, stellte sich vor dem Standardhintergrundbild des Kapitols in Pose und lud die Zuschauer ein, morgen wieder dabei zu sein, wenn er Elizabeth Staple als Ehrengast begrüßen würde, die Vorsitzende des Justizausschusses des Repräsentantenhauses.
Dann war er weg, und die Neun-Uhr-Sendung The News Room begann mit der disharmonischen Titelmelodie, die andeutete, dass die Welt übergeschnappt war. Moderator Bob Ostermaier tauchte mit einer Handvoll Papieren hinter seinem Tisch auf. »Heute Abend«, sagte er, »hat Washington einen brandneuen Sexskandal zu bieten, in den ein Senator verwickelt ist, der den größten Teil seiner Laufbahn auf familiären Werten aufgebaut hat.«
Shel schaltete ab.
Er saß in der abrupten Stille und hörte Musik von irgendwoher.
Es war zwei Minuten nach neun.
Er nahm das Telefon, steckte es in die Tasche und ging hinaus in die Garage. Fünfzehn Minuten später steuerte er den Wagen in die Einfahrt beim Haus seines Vaters. Unter den Basketballkorb. Von den Lämpchen der Alarmanlage abgesehen, lag das Haus in tiefer Dunkelheit.
Er wartete eine
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