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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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im Chor.
    »Tut das nicht noch einmal!«, wiederholte Cixi. »Nehmt meinen Sohn und sorgt dafür, dass er seine Übungen absolviert, wie ich es verlangt habe. Seine Schreibkunst entspricht nicht den Anforderungen. Und sein Lesen auch nicht. Enttäuscht nicht den Knaben, der eines Tages ein Gott sein wird.«
    Die Dienerinnen scheuchten den kleinen Prinzen zurück zum Palast, damit er das Lernen fortsetzte. Tung Chi sah sehr traurig aus; er hatte noch nie elterliche Liebe von seiner Mutter erfahren. Vom Augenblick seiner Geburt an war er wie alle Kinder der Konkubinen von Ammen versorgt und nach den Lehren des Hofes erzogen worden. Die Aufgabe der Konkubine nach der Geburt war es, ihren Körper wieder in den Zustand zu bringen, in dem sie den Sohn des Himmels erfreuen konnte.
    »Ihr müsst liebevoller mit dem Kind umgehen«, bemerkte Prinz Kung.
    Cixis Gesicht nahm einen düsteren Ausdruck an. »Belehrt mich nicht, was das Beste für ihn ist. Ich habe ihn geboren, und ich habe ihm einen Vater gegeben, der ihm ein Leben mit Privilegien und Macht sichert. Darum wird Tung Chi lernen und seine Familie stolz machen. Als der nächste Sohn des Himmels muss er lernen, nichts und niemanden zu sehr zu lieben – nicht einmal mich. Sonst entwickelt er eine Schwäche, die die Seele unserer Nation angreifen kann.«
    Prinz Kung seufzte tief. »Aber er ist noch ein Knabe.«
    Cixi stand da mit hoch gerecktem Kinn und ernstem Gesicht. »Sprecht nicht noch einmal über meine Mutterschaft, sonst wird sich das zwischen uns stellen.« Sie blickte in die Ferne. »Ihr habt Wichtiges zu tun, mein Bruder. Geht und schreibt den Brief an Lord Elgin, sonst sind die Folgen unabsehbar.«
    Unsicher, ob sich ihre Drohung auf die roten Teufel bezog oder auf ihn, falls er versagte, nickte er kapitulierend und eilte davon, um ihrer Forderung nachzukommen.

34.
Peking, China
Tatarenstadt
Kaomio-Tempel
29. September 1860
Ortszeit: 12.24 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 210
    Randall Chen betrat die großzügigen Räume des Kaomio-Tempels, wo der britische Konsul gefangen gehalten wurde. Parkes stand an dem hohen Fenster, das aus dem zweiten Stock über den Hof blickte, und rauchte lustlos eine Pfeife. In dem lichtdurchfluteten Zimmer standen in einer Ecke ein bequemes Bett und in der anderen eine große Badewanne. Am Fenster befand sich ein Schreibtisch aus Rosenholz, und in der Mitte war ein kunstvoller Esstisch mit allen möglichen Speisen gedeckt. Abendländische Kleidung hing in einem offenen Schrank, und auf dem Fensterbrett lag eine Auswahl an Tabaksorten.
    »Ich hab doch gesagt, ich will nichts mehr!«, sagte Parkes ungeduldig, ohne sich umzudrehen. »Also gehen Sie, bevor ich ärgerlich werde!«
    Schweigend legte Randall einen Stoß Papier, Feder und Tinte auf den Schreibtisch. Dann sagte er: »Es muss eine sehr angenehme Gefangenschaft sein, wenn Sie hinsichtlich Ihrer Zellenbesucher so furchtlos bleiben.«
    Bei der vertrauten Stimme fuhr Parkes herum. Er konnte nicht anders, er musste lächeln, als er Randall in der grünen Kluft der Eunuchengarde sah. »Ich dachte mir schon, dass ich Sie bald wiedersehe. Sind Sie hier, um mich zu retten oder um mich ins Jenseits zu befördern?«
    »Weder noch«, antwortete Randall.
    Parkes klopfte den überschüssigen Tabak aus der Pfeife und legte sie aufs Fensterbrett. »Ob Verräter oder nicht, ich bin erfreut, Sie zu sehen, alter Freund.«
    »Ich freue mich ebenfalls.«
    »Seit zehn Tagen halten sie mich schon gefangen«, bemerkte Parkes, »und meine Unterbringung war nicht immer so hübsch wie diese. Ich nehme an, das hat etwas mit Ihnen zu tun?« Er wirkte abgezehrt und erschöpft, daran änderte auch seine ordentliche, saubere Erscheinung nichts.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Parkes zog sich einen Stuhl ans Fenster und ließ sich müde darauf nieder. »Seit meiner Gefangennahme hatte ich viel Zeit, über alles nachzudenken, Mr. Chen. Und ich muss zugeben, dass meine Gedanken immer wieder bei Ihnen und Ihrem erstaunlichen Weitblick auskamen. Darum stelle ich mir vor, dass das Ihr Werk ist.«
    »Nicht ich habe Sie aus dem Gefängnis geholt. Prinz Kung und die Edle Kaiserliche Gemahlin Cixi haben Sie hierher bringen lassen.«
    »Sind die anderen am Leben?«, fragte Parkes.
    »Leider sind einige der Brutalität der Folter erlegen, aber den meisten geht es gut.«
    Bei der Auskunft sah Parkes tieftraurig aus. »Ist Henry Loch am Leben?«
    »Auch ihm geht es erfreulicherweise gut.«
    »Es war eine abscheuliche

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