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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Abkömmling war. Die Eunuchen verrichteten jegliche Arbeit, vom Kochen und Putzen bis zur Gartenpflege und Verwaltung; sie stellten sogar die Palastwache.
    Cixi blickte zu ihrem Großeunuchen auf. An den Schläfen seines geschorenen Hauptes zeigte sich ein feines Adernetz, das einzige Anzeichen seiner heftig wachsenden Furcht. Mit Absicht schob sich Cixi vor sein Gesicht und füllte sein Blickfeld aus. »Findest du mich nicht mehr schön?«, fragte sie.
    Es herrschte Stille in dem großen Saal, solange er über die Antwort nachdachte. »Ihr seid immer schön. Und ich bedarf Eurer wie der Morgenhimmel der Sonne.«
    Seine helle Stimme brachte in Cixi eine Saite zum Klingen, und einen Moment lang war sie wieder ruhig.
    »Ihr müsst Eure Möglichkeiten sorgfältig erwägen«, sagte er.
    Die kaiserliche Gemahlin war in ein bodenlanges Seidengewand gehüllt. Der schwere, schimmernd schwarze Stoff lag um die Taille eng an und war mit naturgetreuen Sommerblumen in allen Farben bestickt. An den weiten Ärmeln und der Brust prangten in Gold die Symbole der Qing. Rock- und Ärmelsaum waren mit Nerz besetzt. Um die Schultern trug sie einen kurzen schwarz-goldenen Umhang, der scharlachrot gefüttert war. Das glänzende Haar war zu einem ordentlichen Doppelknoten gebunden. Perlenohrringe von feinster Handwerkskunst schmückten ihre Ohren. Zwei elegante rote Perlenschnüre kreuzten ihre Brust, und ein aufsehenerregendes Seil aus mattem Gold hing um ihren Hals. In der Hand hielt sie einen scharlachroten Fächer halb geöffnet, sodass der fünfklauige Drache – das nicht anzuzweifelnde Zeichen kaiserlicher Macht – stets zu sehen war.
    Cixi war sehr anziehend, wenn auch nicht die schönste Frau im Palast. Es gab dreitausend Konkubinen und Dienerinnen, die dem Kaiser gehörten, und alle waren, sofern nicht aus Bündniserwägungen, allein wegen ihrer Schönheit ausgewählt worden. Cixi war mit sechzehn Jahren in die Verbotene Stadt gekommen und nach einiger Zeit zur Konkubine vierten Ranges erhoben worden. Doch ihre Überlegenheit in der Liebeskunst, ihr überwältigender Charme, ihre Munterkeit und, so wurde geflüstert, ihr grenzenloses Glück sorgten dafür, dass sie die Lieblingsgefährtin des Kaisers wurde und ihm darüber hinaus als Einzige seines Harems einen Sohn und Erben schenkte, den Thronanwärter des Reiches.
    Fünf Jahre hatte sie warten müssen, bis sie in das Schlafgemach des Kaisers Hsien Feng gerufen wurde. Für eine Frau in China, und besonders für eine in der Verbotenen Stadt, war das Bett des Mannes der einzige Weg zu Macht und Einfluss. Dies war eine Welt, wo Frauen gering geschätzt wurden und nur entweder als Gegenstand körperlicher Freuden oder als Gebärerin eines kaiserlichen Erben betrachtet wurden. In jener Nacht wurde Cixi dem Brauch gemäß nackt und in ein rotes Seidentuch gehüllt vor das Bett des Kaisers gelegt.
    Von da an sollte ihr Einfluss auf den Herrscher die Geschicke Chinas ändern. Sie übte eine solche Faszination auf Hsien Feng aus, dass sie keine Nacht mehr getrennt von ihm verbringen durfte, solange der Kaiser sich in der Verbotenen Stadt aufhielt. Solch ein Arrangement hatte es in den zweitausend Jahren kaiserlicher Herrschaft noch nicht gegeben.
    So ging es nun seit einigen Jahren.
    Cixi bewegte sich mit außergewöhnlicher Anmut und Berechnung. Ihre Körperbeherrschung war vollendet. Es kam nie vor, dass sie stolperte, murmelte oder ratlos blickte. Ihre Entscheidungen teilte sie oft wortlos mit, und wenn sie sprach, dann knapp und präzise. Man hielt sie weithin für die beste Bettgespielin in ganz China. Angeblich konnte sie so immense Sinnesfreuden bereiten, dass ihr dafür jeder Wunsch erfüllt wurde – ein Gerücht, das sie gern nährte. Als ausgezeichnete Schülerin der Hofpolitik hatte sie unbezähmbare Machtgelüste entwickelt und besaß, was noch entscheidender war, das Talent, diese Macht zu erlangen.
    Li Lien trug das traditionelle Gewand des Palasteunuchen mit den überlangen Ärmeln. Die obere Hälfte war goldviolett gemustert, die untere Hälfte zierte ein Dreieck in Orange, Gelb, Grün und Blau. Das war ein ungewöhnliches Zusammenspiel von Farben und Formen und beinahe schmerzhaft anzusehen. Dazu hatte er einen runden, spitzen Hut aus Bambus auf dem Kopf und trug um die Taille einen schlichten Ledergürtel, an dem gleich neben der Schnalle die goldene Spange des Großeunuchen prangte.
    In Peking kannte jeder die Kleidung der Eunuchen, und jeder wusste, dass sie im

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