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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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füllte den Wagen. Gordon versuchte, sich nach Manhattan zurückzuversetzen und die Situation aus diesem Blickwinkel zu betrachten, um vorauszusehen, was seine Mutter von alldem denken mochte. Es war ihm unmöglich.
    »Etwa, weil ich keine Jüdin bin?«
    »Guter Gott, nein.«
    »Aber hättest du es ihr erzählt, wäre sie wie der Blitz hierhergekommen, richtig?«
    Er nickte bekümmert. »Hmm.«
    »Sagst du es ihr, bevor sie kommt?«
    »Sieh mal«, sagte er mit plötzlicher Energie und wandte sich in dem Schalensitz ihr zu, »ich will ihr gar nichts sagen. Ich will nicht, daß sie sich in mein Leben einmischt. Unser Leben.«
    »Sie wird dir Fragen stellen, Gordon.«
    »Soll sie fragen.«
    »Willst du nicht antworten?«
    »Sie wird ja nicht in unserer Wohnung bleiben, da braucht sie auch nicht zu wissen, daß du auch dort lebst.«
    Penny verdrehte die Augen. »Jetzt kapiere ich. Kurz bevor sie eintrifft, wirst du andeuten, ich sollte ein paar meiner Sachen, die in der Wohnung rumliegen, wegräumen, richtig? Vielleicht meine Gesichtscreme und die Antibabypillen aus dem Medizinschrank nehmen? Nur ein paar winzige Korrekturen?«
    Er wand sich unter ihrem ätzenden Ton. In dieser Klarheit hatte er es sich eigentlich nicht vorgestellt, aber er mußte vor sich zugeben, daß sie nicht ganz falsch lag. Das alte Spiel: Verteidige, was du verteidigen mußt, aber verbirg den Rest. Wie lange war die Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter schon so strukturiert? Seit Dads Tod? Gott, wann würde er aufhören, ein Kind zu sein?
    »Tut mir leid, ich…«
    »Ach, sei nicht so begriffsstutzig. Es war nur ein Scherz.«
    Sie wußten beide, daß es kein Scherz gewesen war, sondern irgendwo in der Mitte zwischen Phantasie und einer bevorstehenden Realität schwebte, und daß er, hätte sie nichts gesagt, schließlich in genau dieses Verhaltensmuster hineingestolpert wäre. Diese Eigenschaft war es, die sie ihm in den merkwürdigsten Augenblicken so liebenswert machte: ihre geradezu unheimliche Art zu erkennen, wie sein Geist mit seinen stumpfen Werkzeugen an etwas arbeitete, um dann zu dem Punkt vorwärtszuspringen, den er erreichen würde. Indem sie den Stein umdrehte und die Würmer darunter sichtbar machte, machte sie es ihm leicht – es gab keine Alternative, außer ehrlich zu sein. »Verflixt noch mal, ich liebe dich«, sagte er plötzlich grinsend.
    Ihr Lächeln wirkte ein wenig gezwungen. Unter der flackernden Straßenbeleuchtung hielt sie ihre Augen fest auf die Straße gerichtet. »So ist es halt, wenn man häuslich wird. Man zieht mit einem Mann zusammen, und schon bald entdeckt man in seinen Liebeserklärungen den Unterton eines Dankeschöns. Nun ja, bitte sehr.«
    »Was ist das schon wieder für eine Schlaumeierei?«
    »Nur eine Feststellung.«
    »Wie werden die Mädchen an der Westküste so schnell so schlau?« Er beugte sich vor, als fragte er die kalifornische Landschaft draußen.
    »Es hilft ’ne Menge, früh aufs Kreuz gelegt zu werden«, sagte sie lächelnd.
    Das war ein weiterer Punkt, der ihn irritierte. Sie war das erste Mädchen, mit dem er geschlafen hatte, und als er es ihr gesagt hatte, wollte sie es anfangs nicht glauben. Als sie darüber witzelte, daß sie einem Professor Nachhilfeunterricht gab, hatte er gespürt, wie seine Fassade der Weltklugheit abblätterte. Damals hatte er zum erstenmal vermutet, daß er seinen intellektuellen Panzer brauchte, um sich vor den Reibungen der Ungewißheiten des Lebens und vor allem vor den Dornen der Sinnlichkeit zu schützen. Während er die weißgetünchten Strandhäuschen vorbeifliegen sah, dachte Gordon ein wenig bitter, daß die Erkenntnis eines Mangels noch längst nicht bedeutete, daß man ihn auch überwinden konnte. Pennys direkte und zielbewußte Art bereitete ihm immer noch ein gewisses Unbehagen. Vielleicht konnte er sie sich deshalb nicht in der gleichen Welt wie seine Mutter vorstellen; das schien viel weniger möglich als ihre Begegnung in der Wohnung, in der Pennys Kleider als stille Zeugen im Schrank hingen.
    Spontan schaltete er das Radio ein. Die Blechstimme sang: »Big gurrls don’t cry…«, und er schaltete sofort wieder ab.
    »Laß es laufen«, bat Penny.
    »Ist doch nur Quark.«
    »Es füllt die Luft«, sagte sie bedeutungsvoll.
    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und schaltete wieder ein. Während des Refrains von »Big gurrls« sagte er: »Hee, heute ist der 25., nicht wahr?« Sie nickte. »Der Kampf Liston-Patterson ist dran. Eine Sekunde.«

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