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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ich unter anderem auch mit der strategischen Planung am Direktorat für Zeitverschiebungs-Kriegsführung zu tun hatte, und die Engstirnigkeit dieser Typen hat mir jedesmal fast alle Nerven gekostet. Hier den Verlauf einer Schlacht modifizieren, dort ein Attentat auf einen Zinnsoldaten ausführen... Wenn man schon ein solches Gerät wie ein Zeitverschiebungs-Fahrzeug besitzt, und
    wenn man, wie wir, über das Wissen verfügt, daß der Lauf der Geschichte verändert werden kann, würden Sie, sollten Sie sich dann mit solchen Kinkerlitzchen bescheiden? Warum sich auf ein paar Jahrzehnte beschränken und in der Kindheit Bismarcks oder des Kaisers herumpfuschen, wenn man fünfzig Millionen Jahre
    zurückgehen kann – was wir auch getan haben? Nun, unseren Kinder bleiben jetzt fünfzig Millionen Jahre, die Welt neu zu gestalten... Wir werden die menschliche Rasse neu erschaffen – oder?« Sie wandte sich mir zu. »Aber Sie haben das Ende noch nicht erreicht. Was, glauben Sie, ist die Ultimate Veränderung? Können Sie den ganzen Weg bis zur Erschaffung der Welt zurückgehen und noch einmal von
    vorne anfangen? Wie weit kann dieses – Verändern – überhaupt gehen?«
    Ich erinnerte mich an Gödel und seine Träume von der Letztgültigen Welt. »Ich weiß nicht, wie weit das gehen kann«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich kann es mir nicht einmal vorstellen.«
    Ihr Gesicht war meinem ganz nah, und ihre Augen waren wie schwarze Löcher in dem schwindenden Licht. »Dann«, empfahl sie mir, »müssen Sie Weiterreisen und es herausfinden. Stimmt's?« Sie rückte näher, und meine Hand verstärkte den Griff um die ihre, und ihr Atem strich warm über meine Wange.
    Ich verspürte eine Starre an ihr – eine Zurückhaltung, die zu überwinden sie gewillt schien, und sei es mit schierer Willenskraft. Ich berührte ihren Arm, spürte vernarbtes Fleisch, und ein Schauer durchlief sie, als ob ich Finger aus Eis hätte.
    Aber dann umklammerte sie meine Hand und hielt sie gegen ihren Arm. »Sie müssen mir verzeihen«, sagte sie. »Nähe fällt mir schwer.«
    »Warum? Wegen der Verantwortung deiner Position?«
    »Nein«, meinte sie, und ihr Ton ließ mich dumm und tölpelhaft erscheinen.
    »Wegen des Krieges. Wegen all jener, die gegangen sind... Manchmal kann ich nur schwer einschlafen. Man leidet jetzt, nicht damals – und das ist die Tragik der Sache. Du spürst, daß du nicht vergessen kannst – und daß du eigentlich kein Recht hast, noch am Leben zu sein. Wenn du uns, die wir gefallen sind, die Treue aufkündigst/ Wir werden nicht schlafen, wo der Mohn blüht/ Auf Flanderns Feldern...«
    Ich zog sie näher an mich heran, und sie schmiegte sich an mich, ein zerbrechliches, verwundetes Wesen.
    »Warum, Hilary? Warum jetzt?« flüsterte ich im letzten Moment.
    »Genetische Vielfalt«, erwiderte sie mit erstickender Stimme. »Genetische Vielfalt...«
    Und dann reisten wir weiter – nicht ans Ende der Zeit – sondern zu den Grenzen unseres Menschseins, dort an der Küste dieses Urmeeres.
    Als ich erwachte, war es noch dunkel, und Hilary war fort.
    Ich erreichte unser altes Lager im hellen Tageslicht. Nebogipfel nahm kaum Notiz von mir durch seine Maske, als ich eintrat; offensichtlich überraschte ihn meine Entscheidung genauso wenig wie Hilary.
    Das Zeitfahrzeug war fertig. Es war ein Kasten mit einer Seitenlänge von etwa fünf Fuß, und überall sah ich Fragmente eines mir unbekannten Metalls: das muß-
    ten wohl Teile der Messerschmitt sein, die der Morlock geborgen hatte. Da war eine Bank, die aus dem Holz eines Dipterocarps zusammengestoppelt worden war, und ein kleines Instrumentenbord – ein primitives Teil mit Schaltern und Knöpfen
    –, an dem der blaue Kippschalter prangte, den Nebogipfel aus unserem ersten Zeitfahrzeug gerettet hatte.
    »Ich habe ein paar Kleider für dich«, sagte Nebogipfel. Er hielt Stiefel in die Hö-
    he, ein Twillhemd und eine Hose, alles in gutem Zustand. »Ich glaube nicht, daß unsere Kolonisten sie vermissen werden.«
    »Danke.« Ich hatte bisher eine Fellhose getragen, die ich jetzt schnell wechselte.
    »Wohin willst du?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Nach Hause. 1891.«
    Er verzog das Gesicht. »Ist in der Multiplizität verloren.«
    »Ich weiß.« Ich kletterte in die Konstruktion. »Laß uns erstmal in die Zukunft reisen und sehen, wohin es uns verschlägt.«
    Ich warf einen letzten Blick auf das Meer des Paläozäns. Ich dachte an Stubbins, den zahmen Diatryma und die morgendlichen

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