Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Konstrukteure gewisse Ambitionen hegen.«
    Jetzt hatte ich den Eindruck, daß sich das Flackern der geduldigen Sonne deutlich glättete, als ob die Konstrukteure sich dem Abschluß ihrer Bergbautätigkeit näherten. Ich konnte noch weitere Flecken dieses charakteristischen Plattnerit-Grüns am Himmel erkennen, aber diese standen nun isoliert vom Sonnenband: vielmehr wirbelten sie wie künstliche Monde über den Himmel. Mir wurde klar, daß es sich hierbei um Plattnerit-Strukturen handelte – gigantische Brocken dieser Materie, die sich in langsamen Orbits um die Erde gruppierten.
    Unregelmäßiges Plattnerit-Licht wurde von der Hülle unseres geduldigen Konstrukteurs reflektiert, der bei uns war, als der Himmel diese außergewöhnlichen Veränderungen durchlief!
    Nebogipfel konsultierte seine chronometrischen Anzeigen. »Wir haben jetzt fast achthunderttausend Jahre zurückgelegt... das dürfte wohl genügen.« Er zog an den Hebeln – und das Zeitfahrzeug verzögerte mit der Trägheit, die so charakteristisch für die Zeitreise ist – und jetzt gesellte sich noch Übelkeit zu meiner Ehrfurcht und Angst.
    Sofort verschwand unser Konstrukteur aus meinem Blickfeld. Ich schrie unwillkürlich auf und klammerte mich an der Bank des Zeitfahrzeugs fest. Ich glaube, daß ich mich noch nie so verloren und einsam gefühlt hatte wie in dem Moment, als unser treuer Begleiter uns nach achthunderttausend Jahren plötzlich – so schien es wenigstens – in einer völlig fremden Welt im Stich ließ.
    Das durch die Präzession verursachte Flattern des Sonnenbandes wurde langsamer, glättete sich und verschwand; binnen weniger Sekunden registrierte ich wieder dieses nervig flackernde Licht, das den Tag-Nacht-Rhythmus markierte, und der Himmel verlor seine verwaschene, grau lumineszierende Struktur.
    Und jetzt erfüllte das grüne Licht des Plattnerits den Himmel über mir; es hüllte unsere Kuppel ein und legte einen milchig-grün flirrenden Schleier über die leblosen Flächen der Weißen Erde.
    Der hastige Tag-Nacht-Rhythmus wurde langsamer als mein Pulsschlag. Im al—
    lerletzten Moment erhaschte ich einen Blick – nicht mehr als ein Streiflicht – auf ein Sternenfeld, das blendend und nahe hervorbrach; und ich erkannte schatten-hafte Schemen einiger großer Köpfe und großer, menschlicher Augen. Dann schob Nebogipfel die Hebel in ihre Ruhestellung – das Fahrzeug hielt an, und wir waren in der Zukunft gelandet. Das Rudel der Beobachter verschwand; und wir tauchten in eine Flut grünen Lichts ein.
    Wir befanden uns in einem Schiff aus Plattnerit!

Das Schiff
    Ich, der Morlock und das Interieur unseres kleinen Zeitfahrzeugs – alles war in das allgegenwärtige smaragdgrüne Glühen des Plattnerits getaucht. Ich hatte keine Vorstellung von der wirklichen Größe des Schiffes; vielmehr hatte ich noch
    Schwierigkeiten, mich in ihm zu orientieren. Es hatte keine Ähnlichkeit mit einem Schiff meines Jahrhunderts, denn es wies keine klar definierte Sub-Struktur mit Wänden und Schotts, Maschinenräumen etc. auf. Statt dessen muß man es sich wie ein Netz vorstellen: ein in diesem grünen Plattnerit-Spektrum glühendes Gebilde aus Fäden und Knoten, das wie von einem unsichtbaren Fischer über uns geworfen worden war, so daß Nebogipfel und ich in einem riesigen Gewirr aus Stäben und Kurven aus Licht eingeschlossen waren.
    Dieses Netz erstreckte sich nicht ganz bis zu unserem Zeitfahrzeug: es schien an der Grenze zu enden, die unsere Kuppel definiert hatte. Das Atmen fiel mir nach wie vor leicht, und es war auch nicht kälter als vorher. Auf irgendeine Art mußte die Kuppel noch immer ihre Schutzwirkung vor der Umwelt aufrechterhalten; und aufgrund einer kaum wahrnehmbaren Reflexion auf einer über mir liegenden Flä-
    che vermutete ich, daß die Kuppel nach wie vor existierte – aber das Plattnerit-Licht war so diffus und unstet, daß ich mir nicht sicher war.
    Genauso wenig konnte ich den Boden unter dem Zeitfahrzeug erkennen. Das
    Netzwerk schien sich unter uns hinzuziehen und tief in die Struktur des mir bekannten Gebäudes zu reichen. Mir war indessen nicht klar, wie dieses instabile Gewebe eine so große Masse wie unser Zeitfahrzeug tragen konnte, und ich verspürte einen plötzlichen und unangenehmen Schwindelanfall. Entschlossen verdrängte ich diese primitive Reaktion. Ich befand mich zwar in einer Ausnahmesi-tuation, wollte aber trotzdem die Etikette wahren – vor allem dann, wenn es sich um die letzten Momente meines

Weitere Kostenlose Bücher