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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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erlitt ich diesen merkwürdigen, unangenehmen Schock des Wiedersehens. Ich glaube
    nicht, daß sich ein Mensch meines Jahrhunderts jemals daran hätte gewöhnen können, sein eigenes Ich zu begrüßen, egal, wie oft er es schon praktiziert hatte – und jetzt wurde dieser ganze emotionale Komplex noch mit einem besonderen Aspekt angereichert. Denn hier handelte es sich nicht mehr bloß um eine jüngere Version von mir: sie war auch ein direkter Vorfahre von Moses. Es war, als ob ich einem jüngeren Bruder gegenüberstünde, den ich bereits verloren geglaubt hatte.
    Wieder musterte er mein Gesicht, diesmal mit Mißtrauen. »Was, zum Teufel,
    wollen Sie? Ich weise Sie darauf hin, daß ich Hausierern grundsätzlich nichts ab-kaufe, wissen Sie – selbst wenn dies die hierfür in Frage kommende Tageszeit wä-
    re.«
    »Nein«, meinte ich sanft. »Nein, ich weiß, das Sie das nicht tun.«
    »Aha, das wissen Sie also?« Er wollte schon die Tür zudrücken, aber er hatte etwas in meinem Gesicht gesehen – ich erkannte es an seinem Blick – eine Ahnung des Erkennens. »Sie sagen mir wohl besser, was Sie überhaupt wollen.«
    Umständlich brachte ich die Medizinflasche mit dem Plattnerit zum Vorschein, die ich hinter dem Rücken versteckt gehalten hatte. »Ich habe das hier für Sie.«
    Er runzelte die Stirn, als er das merkwürdige grüne Glühen der Flasche sah.
    »Was ist das?«
    »Es ist...« Wie hätte ich es ihm erklären sollen? »Es ist eine Art Probe. Für Sie.«
    »Eine Probe wovon?«
    »Ich weiß nicht«, log ich. »Ich möchte, daß Sie es herausfinden.«
    Er war nun neugierig, aber noch immer zurückhaltend; und jetzt ließ sein Gesichtsausdruck eine gewisse Sturheit erkennen. »Was herausfinden?«
    Diese blöden Fragen regten mich langsam auf. »Verdammt, Mann – haben Sie
    denn gar keine Initiative? Führen Sie ein paar Versuche durch...«
    »Ich glaube nicht, daß mir Ihr Ton gefällt«, meinte er pikiert. »Was für Versuche?«
    »Oh!« Ich fuhr mit der Hand durch mein nasses Haar; ein derart affektiertes Ge-habe paßte schlecht zu einem so jungen Mann, dachte ich. »Es ist ein neues Mineral – das müßten Sie doch sehen!«
    Er runzelte die Stirn, und sein Mißtrauen wurde intensiver.
    Ich beugte mich vor und stellte das Glas auf der Treppe ab. »Ich werde es Ihnen hierlassen. Sie können es sich ja mal ansehen, wenn Sie wollen – und ich weiß, daß Sie das wollen – ich will Ihnen jetzt nicht mehr Ihre Zeit stehlen.« Ich drehte mich um und ging den Weg hinunter, wobei das laute Knirschen meiner Schritte im Kies den Regen übertönte.
    Als ich mich umschaute, sah ich, daß er das Glas aufgehoben hatte, und das grü-
    ne Glühen schwächte die Schatten der Kerze auf seinem Gesicht ab. »Aber Ihr
    Name...«, rief er.
    Da kam mir eine Eingebung. »Mein Name ist Plattner«, behauptete ich.
    »Plattner? Kennen wir uns?«
    »Plattner«, wiederholte ich fast verzweifelt und kramte in den hintersten Winkeln meines Gehirns nach einer detaillierteren Lüge. »Gottfried Plattner...«
    Es schien mir, als ob es ein anderer gewesen wäre, der das gesagt hatte – aber sobald die Worte meinen Mund verlassen hatten, wußte ich, daß ich sie nicht mehr zurücknehmen konnte.
    Es war geschehen; der Kreis hatte sich geschlossen!
    Er rief weiter hinter mir her, aber ich ging ungerührt weg, weg von dem Tor und den Hügel hinunter.
    Nebogipfel erwartete mich hinter dem Haus, in der Nähe der Zeitmaschine. »Es ist erledigt«, sagte ich zu ihm. Der erste Hauch von Morgenlicht überzog den verhangenen Himmel, und ich konnte den Morlock als eine Art körnige Silhouette wahrnehmen: er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, und das Haar klebte flach am Rücken. Seine Augen waren große, blutrote Scheiben.
    »Du siehst ja schlimm aus«, meinte ich mitfühlend. »Dieser Regen...«
    »Das macht nichts«, erwiderte er.
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Was wirst du jetzt tun?«
    Anstelle einer Antwort beugte ich mich über die Zeitmaschine und zerrte daran.
    Sie verwand sich, quietschte wie ein altes Bett und kam dann mit einem heftigen Stoß auf dem Rasen zur Ruhe. Ich fuhr mit der Hand am ramponierten Rahmen der Maschine entlang; Moos und Grasreste klebten an den Quarzstangen und am Sattel, und eine Kufe war völlig deformiert.
    »Du könntest nach Hause gehen«, sagte er. »Nach 1891. Offensichtlich haben die Beobachter uns in deine Original-Geschichte zurückgebracht – zur Ursprungsver-sion der Dinge. Du müßtest nur

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