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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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dieser Morlock-Stamm eloquent und intelligent war, im Gegensatz zu meinen früheren Begegnungen mit dieser Spezies, hatte ich eine derartige Befragung erwartet; wenn ein Zeitreisender aus dem alten
    Ägypten im London des neunzehnten Jahrhunderts aufgetaucht wäre, hätte ich
    schließlich auch alles darangesetzt, dem Untersuchungskomitee anzugehören. Aber sollte ich das Geheimnis meiner Maschine – dem einzigen Vorteil in dieser Welt –
    wirklich mit diesen Morlocks teilen?
    Nachdem ich für geraume Zeit in ›Klausur‹ gegangen war, erkannte ich, daß ich wohl keine andere Wahl hatte. Ich zweifelte nicht daran, daß die Morlocks die Informationen mit Gewalt aus mir herausholen konnten, wenn sie das wollten. Au-
    ßerdem war die mechanische Konstruktion meiner Maschine simpler als die eines Uhrwerkes. Eine Zivilisation, die dazu imstande war, einen Schirm um die Sonne zu legen, hätte wohl wenig Mühe damit gehabt, mein Erzeugnis einfachen Maschinenbaus zu rekonstruieren! Und wenn ich mit Nebogipfel kooperierte, könnte ich den Burschen vielleicht hinhalten und dabei versuchen, einen Vorteil aus meiner heiklen Lage zu ziehen. Ich wußte nämlich nach wie vor nicht, wo die Maschine abgeblieben war, und noch weniger, wie ich sie erreichen und nach Hause gelangen sollte.
    Doch außerdem – und das ist die reine Wahrheit – lastete mein Wüten unter den Morlock-Kindern noch immer auf meiner Seele. Ich wollte nicht, daß Nebogipfel mich – bzw. die Menschheit, die ich repräsentierte – für Barbaren hielt. Deshalb war ich darauf aus, wie ein kleines Kind Eindruck zu schinden und Nebogipfel zu demonstrieren, wie intelligent ich war, wie handwerklich geschickt und wissenschaftlich beschlagen – wie weit die Menschen meines Zeitalters sich schon von den Affen fortentwickelt hatten.
    Ich war jetzt zum erstenmal so verwegen, meinerseits Forderungen zu stellen.
    »Na gut«, sagte ich zu Nebogipfel. »Aber zuerst...«
    »Ja?«
    »Schau mal«, meinte ich, »die Bedingungen, unter denen ihr mich haltet, sind doch etwas primitiv, stimmt's? Ich bin kein junger Spund mehr und kann nicht mehr den ganzen Tag stehen. Wie wär's mit einem Stuhl? Wäre das denn zuviel
    verlangt? Und was ist mit Bettdecken, wenn ich schon hierbleiben muß?«
    »Stuhl.« Er hatte eine Sekunde lang mit der Antwort gewartet, als ob er das Wort in einem unsichtbaren Wörterbuch nachschlagen würde.
    Ich erweiterte den Katalog meiner Forderungen. Ich brauchte mehr frisches Wasser, sagte ich, und so etwas wie Seife; und außerdem bat ich – wobei ich mit einer Ablehnung rechnete – um eine Rasierklinge.
    Nebogipfel entfernte sich für eine Weile. Als er zurückkam, brachte er Decken und einen Stuhl mit; und nach meiner nächsten Schlafphase fand ich neben den beiden Essenstabletts ein drittes mit zusätzlichem Wasser.
    Die Decken bestanden aus einem weichen Material, einem glatten, fließenden
    Gewebe, das zu fein strukturiert war, als daß ich Knüpfstellen hätte entdecken können. Der Stuhl – ein simples Modell von künstlerisch diktierter Unbequemlich-keit – hätte seinem Gewicht nach zu urteilen aus einem leichten Holz bestehen können, aber seine rote Oberfläche war glatt und fugenlos, und ich konnte weder die Farbe mit den Fingernägeln abkratzen noch irgendwelche Anzeichen von Bolzen, Nägeln, Schrauben oder Einzelteilen entdecken; das Möbel schien in irgendeinem unbekannten Herstellungsverfahren als Ganzes aus dem Extruder gezogen
    worden zu sein. Was meine Toilette betraf, so lag dem Wasser in der neuen Schüssel keine Seife bei, aber die Flüssigkeit selbst wirkte irgendwie seifig, und ich vermutete, daß sie einen Zusatz hineingekippt hatten. Wie durch ein kleines Wunder war das Wasser handwarm angeliefert worden – und es behielt diese Temperatur auch bei, gleichgültig, wie lange ich die Schüssel stehen ließ.
    Eine Rasierklinge bekam ich indessen nicht – was mich auch gewundert hätte!
    Als Nebogipfel mich das nächstemal alleinließ, entkleidete ich mich abschnittsweise und wusch den Schweiß von mehreren Tagen sowie die Reste von Morlockblut ab; ebenso ergriff ich die Gelegenheit und wusch die Unterwäsche und das Hemd.
    So wurde mein Dasein im Käfig des Lichts einen Hauch zivilisierter. Wenn man sich das Inventar eines einfachen Hotelzimmers in der Mitte eines riesigen Ball-saales deponiert vorstellt, bekommt man eine Ahnung davon, wie ich lebte. Ich rückte den Stuhl, die Tabletts und die Decken zusammen und machte mir

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