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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Er streifte einen Handschuh ab und streckte mir die Hand entgegen. Ich ergriff sie – sie war klein, und ich umfaßte sie wie eine Kinderhand – und ich starrte mit einem Erstaunen, das ich nicht verhehlen konnte, in dieses klare Gesicht.
    Der Captain sagte: »Ich hatte nicht derart viele Passagiere erwartet – ich glaube, daß wir nicht einmal wußten, was uns überhaupt erwartete –, aber Sie sind hier alle willkommen, und ich garantiere Ihnen, daß Sie gut behandelt werden.« Seine
    Stimme war hell, aber er mußte schreien, um die rumpelnden Maschinen zu über-tönen. Mit einem Anflug von Belustigung schweiften blasse Augen über Moses
    und Nebogipfel.
    »Willkommen auf der Lord Raglan. Mein Name ist Hilary Bond; ich bin Captain im Neunten Bataillon des Königlichen Großkampfschiff-Regiments.«
    Es stimmte also tatsächlich! Dieser Captain – ein erfahrener und verwundeter Soldat, und Kommandant einer tödlicheren Kampfmaschine, als ich sie mir jemals hätte vorstellen können – war eine Frau.

Die Erneuerung einer alten Bekanntschaft
    Sie lächelte, wobei eine Narbe auf ihrem Kinn sichtbar wurde, und ich sah, daß sie nicht älter als fünfundzwanzig Jahre sein konnte.
    »Schauen Sie, Captain«, meinte ich, »ich verlange zu erfahren, mit welchem
    Recht Sie uns hier festhalten.«
    Sie schaute ungerührt drein. »Meine Mission hat Vorrang für die Nationale Verteidigung. Es tut mir leid, wenn...«
    Aber jetzt trat Moses vor; in seinem schrillen Clownskostüm wirkte er völlig deplaziert in diesem düsteren, militärischen Ambiente. »Madame Captain, es besteht kein Bedarf an Nationaler Verteidigung im Jahre 1873!«
    »Aber wir haben das Jahr 1938.« Ich realisierte, daß dieser Captain absolut zielstrebig war; sie strahlte eine Aura unerschütterlicher Autorität aus. »Meine Mission besteht darin, die wissenschaftliche Forschung zu sichern, die in diesem Haus in der Petersham Road durchgeführt wird – insbesondere, um eine anachronistische Interferenz mit ihrem ordnungsgemäßen Ablauf auszuschließen.«
    Moses schnitt eine Grimasse. ›»Anachronistische Interferenz‹ – ich vermute, daß Sie von Zeitreisenden sprechen.«
    Ich lächelte. »Ein liebliches Wort, dieses auszuschließen! Glauben Sie denn, daß Sie auch genügend Kanonen mitgebracht haben, um wirkungsvoll auszuschlie-
    ßen?«
    Nun trat Nebogipfel vor. »Captain Bond«, sagte der Morlock bedächtig, »Sie sehen doch sicherlich ein, daß Ihre Mission eine logische Absurdität darstellt. Wissen Sie überhaupt, wer diese Männer sind? Wie können Sie die Forschungen sichern, wenn ihr originärer Protagonist...« – er deutete mit einer haarigen Hand auf Moses
    – »...aus seiner eigenen Zeit entführt wird?«
    Daraufhin starrte Bond den Morlock für lange Sekunden an, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Moses zu – und mir – und ich dachte, daß ihr jetzt zum erstenmal unsere Ähnlichkeit auffiel! In knappem Ton stellte sie uns allen Fragen, die darauf abzielten, die Authentizität der Bemerkung des Morlocks und von Moses' Identität zu bestätigen. Ich sagte die Wahrheit – so oder so versprach ich mir davon nicht viel für uns – aber vielleicht, so überlegte ich, sollten sie uns etwas rücksichtsvoller behandeln, wenn sie uns schon eine solche historische Bedeutung zuerkannten.
    Aber ich ging indessen so wenig wie möglich auf meine gemeinsame Identität mit Moses ein.
    Schließlich flüsterte Hilary dem Soldaten einige kurze Befehle zu, und er suchte einen anderen Sektor des Fahrzeugs auf.
    »Ich werde das Luftfahrtministerium davon informieren, wenn wir zurück sind.
    Ich bin sicher, daß es mehr als nur interessiert an euch sein wird – und ihr werdet reichlich Zeit haben, das Thema nach eurer Rückkehr mit den Behörden zu diskutieren.«
    »Rückkehr?« erwiderte ich heftig. »Rückkehr? Meinen Sie in Ihr 1938?«
    Sie blickte gequält drein. »Ich befürchte, daß ich mit den Paradoxien der Zeitreise nicht so vertraut bin; aber die gebildeten Herren im Ministerium werden damit ohne Frage umzugehen wissen.«
    Ich vernahm Moses' Gelächter neben mir – laut und mit einem Anflug von Hy—
    sterie. »Oh, das ist wirklich gut!« meinte er. »Oh, das ist wirklich gut – jetzt muß ich mir überhaupt keine Gedanken über den Bau der verdammten Zeitmaschine
    mehr machen!«
    Nebogipfel betrachtete mich nüchtern. »Ich fürchte, daß diese multiplen Verzer-rungen der Kausalität uns immer weiter von der ursprünglichen Version der

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