Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
anzündete, die er aber zwischen den Lippen hin und her rollte und auf der er herumkaute; er wollte nicht einmal mehr den Anschein erwecken, als wolle er noch weiteressen. Auf Byrons Frage erwiderte er nichts, nickte nur kurz.
»Er hat den dritten Grad erfunden«, sagte Felix, der gerne sein Wissen loswerden wollte.
»Das spricht kaum für ihn!«, sagte Tante Ada.
»Das heißt, dass Leute geschlagen werden, nicht wahr?«, warf Maud ein.
Julia sagte nichts; ich schaute zu ihr hinüber. Sie beobachtete mich neugierig und abschätzend. Es schien mir, als wisse sie, warum ich das Thema Byrnes angeschnitten hatte. Ich lächelte ihr zu und bestätigte damit ihre Vermutungen, wenn sie welche gehabt hatte.
»Oh nein«, antwortete Byron auf Mauds Frage. »Zumindest ist das nicht alles. Ich erwarte nicht, dass er Skrupel hat, jemanden ein wenig zu schlagen, wenn er weiß, dass er schuldig ist. Und warum auch? Ich glaube nicht, dass wir uns in dieser Beziehung irgendwelchen falschen, sentimentalen Vorstellungen hingeben sollten. Oder wollen Sie, dass er zum Schaden der Gesellschaft Kriminelle auf freien Fuß setzt mangels einiger kleiner Beweise? Der Mann ist kein Schwein, er ist der erfahrenste Polizist der Stadt! Er ist skrupellos, keine Frage, und überschreitet oft seine Befugnisse. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass er, wenn auch nicht Geld, Aktien oder Wertpapiere, so doch vertrauliche Informationen von den Wall-Street-Millionären entgegennimmt, mit denen er befreundet ist. Man sagt, auf diese Weise sei er reich geworden. Aber wir sollten ihn eher als guten Polizeisergeanten schätzen; wenn er den Laden sauber hält, sollte man nicht zu sehr an seinen Methoden herummäkeln. Und wenn er einige Nebeneinkünfte hat, die mit dem Gesetz nicht in Übereinklang stehen, ist das nur recht und billig, warum sonst sollte er das alles auf sich nehmen? Er ist wesentlich mehr als ein brutaler Kerl; wenn ich ihn in einer Kutsche vorbeifahren sehe, wie das Ihre Bekanntschaft, Mr. Morley, getan hat, dann ziehe ich vor ihm den Hut. Sein berühmter ›dritter Grad‹ ist gewöhnlich wesentlich mehr, als einem Schurken ein Geständnis herauszuprügeln. Haben Sie gehört, wie er den Unger-Mordfall gelöst hat?«
»Ja!«, sagte Felix mit Enthusiasmus und so erpicht darauf, die Geschichte weiterzuerzählen, dass Byron lächelte und sagte: »Fahren Sie fort, Felix, erzählen Sie die Geschichte.«
»Nun, Sir, Byrnes folterte den Verdächtigen, folterte ihn wirklich«, Felix schaute sich am Tisch um, um die mögliche Wirkung seiner Worte zu erkunden, »ohne ihm auch nur ein Haar zu krümmen. Drei Tage lang sperrte er ihn in eine fast vollkommen dunkle Zelle; das einzige Licht, das einfiel, kam von einem Fenster am Ende eines langen Ganges draußen. Niemand redete mit ihm. Er bekam niemanden zu Gesicht. Das Essen wurde unter der Zellentür durchgeschoben, während er schlief. Er konnte nichts tun, als in seiner kleinen finsteren Zelle auf- und abzugehen oder sich auf das Sofa zu legen, das die ganze Einrichtung darstellte. Am vierten Tag, kurz vor der Morgendämmerung, als die Stimmung des Gefangenen auf dem Nullpunkt war«, wieder schaute er sich am Tisch um, er hatte nun die ganze Aufmerksamkeit seiner Zuhörer gewonnen, »nahm Byrnes leise seinen Platz vor der Gittertür der Zelle ein. Und nun entzündete er zum ersten Mal die Laterne, die an der Decke im Gang vor der Zellentür hing. Das ungewohnte Licht fiel auf das Gesicht des schlafenden Schurken, der davon sofort aufwachte. Reglos starrte Byrnes ihn an; man sagt, dass sein gefühlloser, bedrohlicher Blick einen Menschen förmlich durchbohren kann. Der Gefangene, der in das Licht blinzelte, sah nur die beiden kalten Augen, die ihn anstarrten; entsetzt fuhr er auf. Und genau wie Byrnes es geplant hatte, sah der Gefangene jetzt zum ersten Mal das Sofa, auf dem er den größten Teil der letzten drei Tage und Nächte zugebracht hatte. Es war mit großen Flecken geronnenen Blutes überzogen! Es war das Sofa, auf dem er sein schlafendes Opfer ermordet hatte! Mit einem Aufschrei sprang der Gefangene hoch und fiel Byrnes vor die Füße, seine Hände umklammerten die Stäbe der Zelle, und er bat darum, herausgelassen zu werden und alles zu gestehen! Byrnes hatte einen Stenografen dabei, und erst als der Gefangene sein volles Geständnis diktiert und unterzeichnet hatte, wurde er aus dieser Zelle befreit und in eine andere geführt. Einen Monat später, kurz nach seiner Verurteilung, wurde
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