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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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begleiten.«
    Ich nickte. »Einverstanden. Treffen wir uns in zwei Minuten unten in der Diele.«

19
    Jake befand sich in seinem Büro: Es war elf Uhr fünfunddreißig, Julia und ich standen im dunklen Hauseingang des Morse Building an der Nassau Street, direkt gegenüber dem Eingang des Potter Building. Im dritten Stock war das zweite Zimmer rechts vom Nassau-Street-Eingang erleuchtet, ein hohes Rechteck aus gelbem Licht: Jakes Büro, der einzige Raum in der dunklen Fassade des alten Gebäudes, in dem Licht brannte. Zehn Minuten später flackerte es kurz rötlich auf, dann erlosch es.
    Julia hatte ihren Arm unter den meinen geschoben und drückte ihn. »Er geht«, murmelte sie, ich nickte, obwohl sie das nicht sehen konnte. Hoch oben am Himmel stand ein dreiviertelvoller Mond, aber wir standen tief im Türeingang, in vollkommener Dunkelheit. Ich stellte mir Jake vor, der nun die Tür zu seinem Büro abschloss, im fahlen Licht, das von draußen einfiel, den kurzen Gang entlangschritt, vielleicht benutzte er ein Streichholz, obwohl das Licht nicht zu sehen war. Dann die Stufen hinunter, eine Hand auf dem Geländer. Und nun, nun ging er durch den langen Korridor, der das gesamte Gebäude durchzog, zur Park Row und hinaus in den City Hall Park. Während er über die Straße ging, blickte er zur Uhr der City Hall hoch; sie zeigte zehn oder elf Minuten vor zwölf. Und auf der anderen Seite des Parks würde nun im Mondschein Carmody den Park betreten, der eine schwere Tasche bei sich hatte.
    Ich bedeutete Julia lautlos, unseren Posten zu verlassen, aber – man kann niemals genau vorhersagen, was ein anderer tut – Jake trat direkt gegenüber der Straße aus dem Eingang; auf dem Gehweg blickte er sich vorsichtig nach allen Seiten um. Horchte er? Augenblicklich erstarrten wir, wagten kaum zu atmen. War mein Herzschlag in der Stille zu hören? Hatten unsere Füße ein Geräusch gemacht? Auf der anderen Straßenseite ging Jake direkt uns gegenüber vorbei, dann über die Beekman in Richtung Ann Street; seine Schritte hallten laut zwischen den Häusern.
    Natürlich hatte er das Haus nicht durch den Park-Row-Eingang verlassen, damit Carmody, oder wer auch immer dort warten mochte, ihn nicht sehen konnte. Stattdessen würde er auf dem Broadway nach Norden gehen und den City Hall Park von Westen her betreten und so die Lage seines Büros geheim halten, bis er Carmody selbst dorthin führen würde.
    Wir warteten, spitzten die Ohren und beobachteten ihn. Jake hatte bald die Ann Street erreicht und wandte sich nun nach Westen. Jetzt konnten wir ihn nicht mehr sehen und auch seine Schritte nicht mehr hören. Wir eilten über die Nassau Street hinauf über die mondbeschienenen Stufen und in den Gang zu Jakes Büro. Ich holte den Schlüssel heraus, fand das Schloss, drehte den Schlüssel um, die Tür öffnete sich. Ich zündete ein Streichholz an, drehte das Gaslicht über dem Pult auf, hielt das Streichholz an die Düse, und der Gasstrom entzündete sich rötlich. Ich drehte das Gas herunter, bis die Flamme gleichmäßige brannte, dann flog ich buchstäblich durch den Raum zu der mit Brettern zugenagelten Tür, bückte mich und fand den Hammer.
    Es ging nicht anders, ich musste den kreischenden Protest der Nägel, die ich herauszog, in Kauf nehmen. Aber ich zog mit gleichmäßigem Druck, um den Lärm so gering wie möglich zu halten. Sobald sie gelockert waren, stemmte ich das Brett mit dem Nagelheber weg. Ein zweites Brett, dann ein drittes, etwa einen halben Meter über dem Fußboden befand sich nun eine Öffnung, die groß genug war, um hindurchschlüpfen zu können. Ich half Julia dabei, die sich mit den Händen an dem obersten Brett festhielt; sie schob ein Bein durch, duckte sich, zog den Kopf nach und schrie vor Entsetzen auf. Ich sah durch die Öffnung: Durch das hohe schmale Fenster fiel Mondlicht und ich sah, dass der größte Teil des Bodens verschwunden war; nichts als eine schwarze Leere tat sich vor uns auf.
    Die Zimmerleute hatten seit meinem letzten Besuch ihre Arbeit fortgesetzt; sie hatten den zweiten Stock unter uns beendet und dann hier weitergemacht – die Dielenbretter waren herausgesägt und die großen Deckenbalken freigelegt worden. Sie hatten – wahrscheinlich an diesem Nachmittag  – von der Außenwand aus begonnen und sich bis zur Tür vorgearbeitet; nun war nur noch eine Ecke des Bodens übrig, ein Dreieck, das von der zugenagelten Verbindungstür zur Eingangstür reichte.
    Es war jedenfalls

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