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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Fäuste geballt und stieß die Arme wild schreiend in die Lüfte.
    Unsere Leiter war zu kurz: Wir hatten sie zwischen zwei Fenstern aufgerichtet, sie berührte gerade über dem dritten Stock die Wand, weit unterhalb der drei Männer im vierten. Ich blickte mich verzweifelt um, ob nicht jemand zur Unterstützung nahte. Einige Schritte hinter mir stand Julia und schaute wie gebannt auf das brennende Gebäude. Etwas in ihrem Gesichtsausdruck ließ mich zu ihr hinlaufen. Und dann sah auch ich es.
    Ich besitze ein Exemplar der New York Times vom folgenden Morgen, dem 1. Februar 1882. Die Titelseite und der größte Teil der zweiten Seite widmeten sich dem schrecklichen Feuer. Ich will nicht wiedergeben, was Julia und ich sahen, sondern direkt aus der Times zitieren.
    … die oberen Fenster … waren voller Menschen. Gesichter von Männern und Frauen, in denen sich der Schrecken abzeichnete, starrten durch den Rauch nach unten auf Tausende ihrer Mitmenschen; sie rangen ihre Hände und riefen laut um Hilfe. [Das werde ich immer vor mir sehen, wie sie ihre Hände ausstreckten.] Die Flammen, die sich mit dem Rauch vermengten, tauchten ihre Gesichter in ein unterweltliches Licht. Ihre Schreie, die sich mit dem Tosen des Feuers und den rauen Rufen der Feuerwehrleute vermischten, klangen für die unten stehende Menge wie Stimmen aus dem Grab. Die Feuerwehrleute taten alles Menschenmögliche; furchtlos setzten sie beim Versuch, die eingeschlossenen Opfer zu retten, ihr Leben aufs Spiel. Ihre Handlungen aber, so schnell sie auch waren, schienen für die erstickenden Wesen im brennenden Gebäude nicht schnell genug zu sein. Sie über die Treppe zu erreichen war nicht mehr möglich; zu schnell hatte das Feuer seine Arbeit getan. Die Feuerwehrleute stellten Leitern auf, die allerdings nur bis zum dritten Stock reichten. Weitere Zeit verging, bis kürzere Leitern herbeigeschafft waren, um sie zu verlängern. In der Zwischenzeit nahte sich den Menschen im Gebäude der Tod stetig und unweigerlich von hinten, die Vorbereitungen, die draußen zu ihrer Rettung unternommen wurden, schienen endlos zu dauern …
    Julia schrie auf und hob die Hand zum Mund: Der in Panik geratene Mann war gesprungen, sein Körper vollführte während des Falls eine ganze Drehung, die Beine strampelten wild und instinktiv nach einem Halt suchend in der Luft, den es nicht gab. Kurz bevor er aufschlug, wandten wir unsere Blicke ab.
    Zwei Feuerwehrleute kamen vom Times Building auf uns zugelaufen; sie trugen einen Holztisch. Der kleine Mann im Zylinder schrie und machte mir wie wild Zeichen, ich rannte zu der Leiter zurück. Wir packten die Leiter, hievten sie hoch und stolperten damit zu Seite. Das obere Ende der Leiter schlitterte und krachte hoch oben gegen die Mauer, bis sie zwischen den beiden Fenstern stand, in denen nun nur noch zwei von den Männern kauerten. Flackernde Flammen züngelten aus den Fenstern, gelegentlich entwich auch Rauch in dicken Wolken. Die Feuerwehrleute mit dem Tisch hatten uns erreicht und schoben ihn unter die Leiter. Ich schaute hinauf.
    Das Leiterende war nun den beiden Männern näher, aber noch immer nicht ganz oben. Aber unter ihren beiden Fenstern befand sich ein Schild. Durch den Schnee und den von unten aufsteigenden Rauch konnte ich nicht erkennen, was darauf stand. Einer der Männer stieg nun auf das Schild, kroch zur Leiter, drehte sich um und ließ sich vom oberen Rand des Schildes auf die Leiter hinunter; die Füße suchten nach der obersten Sprosse. Er ließ los, die Knie waren gebeugt, dann umfasste er das Leiterende und kletterte so schnell wie möglich hinunter. Der kleine Mann, der die Oberaufsicht hatte, schrie dem anderen zu: »Gleich werden Sie auch gerettet werden! Bewahren Sie Ruhe!« Dann erreichte auch der zweite Mann über das Schild die Leiter. Während er herunterkletterte, strahlte der kleine Mann vor Freude; er reichte jedem von uns die Hand und schüttelte sie. »Ich bin Anthony Comstock. Meinen herzlichen Dank! Gelobt sei Gott!«, sagte er.
    Als die beiden Feuerwehrleute auch den zweiten Mann sicher nach unten gebracht hatten, fuhren sie die Leiter wieder ein. Sie riefen uns ihren Dank zu und forderten uns auf, die Straße jetzt zu verlassen, da wir in Lebensgefahr seien. Wir rannten über die Park Row, schlüpften unter den Absperrseilen der Polizisten am City Hall Park durch und sahen uns dann das Unglück von dort an.
    Ich hörte Julia aufschreien; dann schluchzte sie und wandte langsam den Blick

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