Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Auftritt von Harrigan und Hart, die wirklich schrecklich peinliche Witze über die Iren brachten. Aber Julia schüttete sich aus vor Lachen wie alle anderen auch.
»Nun gut, du bist also des Menschen bester Freund«, sagte ich zu Rover. Er stimmte mir zu. (›Des Menschen bester Freund‹ war hier eine ernsthafte Angelegenheit, ein Thema für sentimentale Zeitungspoesie, die Julia mir nun nicht mehr laut vorlas.) »Aber es scheint mir«, erzählte ich Rover, der höflich zuhörte, als wäre das etwas Neues für ihn, »dass das eine etwas einseitige Freundschaft ist. Wir haben die ganze Arbeit. Wir geben dir dein Essen« – seine Ohren hoben sich bei dem magischen Wort – »geben dir dein Wasser, stellen Bett, Ofen, Bäder zur Verfügung« – die Ohren legten sich wieder an – »all die Notwendigkeiten, nein, all den Luxus eines sorgenfreien Hundelebens.« Ich lehnte mich fest an ihn. »Aber was tust du dafür, bester Freund?« Ich rückte noch näher. »Wo sind meine Hausschuhe?« Er wusste es nicht, aber nun tat er, was ich erwartet hatte – er fuhr mir mit der Zunge über die Wange. »Ist das etwa unsere Abmachung?« , sagte ich.
»Hundespucke im ganzen Gesicht? Hör zu«, ich legte ihm fest den Arm um die Schultern, drückte ihn an mich, während er versuchte, sich zu befreien, aber ich hielt ihn fest. »Woher habt ihr Kerle die Vorstellung, dass ein vor Hundespeichel triefendes Gesicht eine Wohltat sei? Tausende von Jahren der Zivilisation, aber ihr werdet es nie lernen.« Ich ließ ihn los, er blieb auf den Stufen sitzen und wartete aufmerksam auf das, was ich ihm noch sagen würde. Hunde versuchen zu verstehen, sie wollen es wirklich; Katzen geben das erst gar nicht vor. Ich gab Rover einen freundschaftlichen Klaps, dann folgte er mir ins Haus hinein und trabte zu seiner Schlafstelle auf der hinteren Veranda.
Oben in unserem großen Schlafzimmer bereiteten sich Julia und ich uns auf das Schlafengehen vor; wir sagten nicht viel, wir standen noch unter dem Zauber des Abends. Ich mochte diesen Raum, ich mochte sie alle, diesen hier aber besonders: mit Teppichen ausgelegt, von Gaslicht erleuchtet, möbliert mit fast lächerlich massiven, überaus reich verzierten Tischen, Kommoden, zwei großen Schränken, einem Ledersessel und unserem großen Bett. Aber dennoch ein Ort, den ich liebte: friedlich, eine Zufluchtsstätte.
Über meiner rechten Schulter – wir saßen nun im Bett, um uns wie gewöhnlich noch ein wenig zu unterhalten — brannte hinter einem Schirm aus graviertem Milchglas eine gleichmäßige offene Flamme. Auf dem kleinen Tisch mit der Marmorplatte lag ein Exemplar der neuen Ausgabe von Leslie’s Weekly vom 11. Januar 1887. Zwei meiner Zeichnungen waren diese Woche darin veröffentlicht worden; ich liebte es, sie anzuschauen, genau wie Julia, die alle aufhob. Meine Uhr, die angenehm tickte – ich hatte sie soeben aufgezogen –, mitsamt Kette lag auf Leslie’s. Von draußen, von der Straße her, drang durch unser leicht geöffnetes Fenster das Geräusch von Schritten – das nicht von Schuhen, sondern von Stiefeln herrührte. Sie traten nicht auf Beton, sondern auf gehauenen Stein auf – ein Klang nicht wie im zwanzigsten, sondern wie im neunzehnten Jahrhundert. Sie kamen näher, gingen dann vorüber, und in der Ferne verlor sich dann ihr Klang. Wie so oft spürte ich das Außergewöhnliche und immer wieder aufs Neue Geheimnisvolle, hier sein zu können, diese spätabendlichen Schritte im neunzehnten Jahrhundert zu hören. Wessen? Die wohin gingen? Aus welchem niemals zu erfahrenden Grund? Und die wie weit in die Zukunft hineinschreiten würden?
Wir lehnten an dem dunklen geschnitzten Holz unseres mächtigen Bettes, wohlig warm unter unserer Steppdecke, in unsere Nachthemden gehüllt; ich hatte mich schon vor langem und entschieden dagegen gesträubt, eine Schlafmütze zu tragen, gleichgültig, wie kalt es wurde, wenn die Kohlen im offenen Kamin an der anderen Wand heruntergebrannt waren.
Hin und wieder wird einem für einen Augenblick bewusst, dass man glücklich ist. Aber ich bin abergläubisch, und ich stelle mir das SCHICKSAL – man sollte ihm mit Respekt begegnen und es in großen Buchstaben schreiben — vor als etwas, das oben im Himmel undeutlich anwesend, aber nicht allzu weit entfernt ist. Das immer lauscht und gewissenhaft aufpasst, um Optimismus zu bestrafen.
Jetzt konnte ich mir jedoch nicht helfen, ich fühlte mich so zufrieden, wie man es nur sein kann, und in
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