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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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das ist unbestreitbar: Sie werden immer wissen, dass es ein Traum war. Niemand verwechselt einen Traum mit der Realität. Das Erlebnis, das ich Ihnen beschrieben habe, ist passiert – wirklich passiert.«
    »Haben Sie denn auch gewusst, dass die Titanic niemals den Hafen erreicht hat?«
    »Ja. Ich erinnere mich, als Junge diese Nachricht gehört zu haben. Die Titanic war auf einen Eisberg gelaufen. Auf ihrer Jungfernfahrt. Und gesunken, zwei Drittel der Passagiere und Besatzung ertranken. Oh ja, ich erinnere mich daran. Ich kann das natürlich nicht rational erklären, aber … ich erinnere mich auch daran: Ich sah die Titanic andocken.«
    Einige Sekunden Schweigen, während das Band weiterlief. »Eine letzte Frage. Sind Sie jemandem begegnet, der ebenfalls …«
    »Zweimal. Einmal ja; das zweite Mal – vielleicht.«
    »Und …?«
    »Beide hatten sich meine Geschichte angehört. Eine Frau, damals in mittlerem Alter, die sagte, ja, sie hätte auch immer diese beiden Erinnerungen gehabt. Ihr habe ich geglaubt. Der andere, ein Mann in meinem Alter, sagte dasselbe. Ich war mir, was ihn anbelangt, einfach nicht sicher. Vielleicht stimmte es ja.«
    Ted drückte auf die Stopptaste. »Das Band war zu Ende. Auf der anderen Seite ist noch ein kleines Stück, aber Sie haben eigentlich alles gehört. Er redet noch ein wenig weiter.«
    »Ja, schön. Ein gutes Beispiel. Ein sehr gutes Beispiel. Schreiben Sie einen Bericht für uns, Ted, und – können wir das Band behalten?«
    »Oh, sicher, dafür ist es da.«
    »Okay. Nun, es ist ein wenig spät geworden, Leute. Ich hatte einen Bericht vorbereitet, aber der hat Zeit bis zum nächsten Mal. Ein bisschen was über das alte Buch, das ist alles: die Turnbull-Biografie. Für diejenigen, die das letzte Mal zu spät gekommen oder eingeschlafen sind – es geht um Amos Turnbull, einen Freund von Jefferson und Franklin, Mitglied des Continental Congress. Der aber sonst nirgendwo erwähnt wird, auch von meinem Buch gibt es anscheinend kein zweites Exemplar. Mein Bericht handelt eigentlich nur davon, dass ich in diesem Sommer viele Stunden damit zugebracht habe, Zeitungen aus der Kolonialzeit auf Mikrofilm zu lesen. Was einen entweder blind oder verrückt macht. Und ich habe nichts gefunden, nirgendwo wird Amos erwähnt. Oh, Irv – Sie haben einen Film entdeckt?«
    »Ja, aber keinen Projektor dafür: das hier ist ein Fünfunddreißig-Millimeter-Film. Ich hatte einen Projektor ausgeliehen, leider funktionierte er aber nicht. Ich habe hier etwa dreißig Meter eines alten Schwarz-Weiß-Films.«
    »Der was zeigt?«
    »Einige Straßenzüge von Paris; 1920, ’21. Sehr scharf und klar. Geschäfte, Leute, die spazieren gehen, nicht viel. Aber am Ende dieser Straße sollte eigentlich der Eiffelturm zu sehen sein.«
    »Und er ist nicht da?«
    »Richtig.«
    »Okay, würde ich gerne sehen. Das nächste Mal?«
    »Verlassen Sie sich darauf.«
    »Gut, dann machen wir jetzt Schluss. Wir sehen uns wieder in einem Monat, bis auf diejenigen, mit denen ich morgen verabredet bin. Audrey wird alle benachrichtigen. Will jemand mitgenommen werden?«
    Niemand wollte es. Sie unterhielten sich – weniger über das Treffen, als über Arbeit, Studium, Kinder, Kleidung, den letzten Urlaub –, sammelten ihre Sachen ein und schoben ihre Stühle an den Tisch zurück. Der bärtige Vorsitzende stand an der Tür und wünschte ihnen eine gute Nacht, als sie aufbrachen. Als der Letzte durch die Tür war, als die Schritte auf dem Holzboden im Gang verklangen und die Stille der Nacht einsetzte, warf er noch einen Blick auf den Wahlkampfbutton in seiner Hand, drehte dann das Licht aus und schloss die Tür; er stand im Gang und horchte, bis er das Schloss einschnappen hörte.

1

    Wir standen eingezwängt in der kleinen Zuschauermenge, die auf dem Balkon unten rechts zu sehen ist – sehen Sie sie? –, gerade über dem von Säulen umgebenen Eingang des Everett House: Julia mit den Händen in einem Muff, ich und unser vier Jahre alter Sohn, der sein Kinn auf die Balkonbrüstung gelegt hatte. Als ich mich über ihn beugte, um sein Gesicht im Licht der vorbeiziehenden Fackeln unter uns zu sehen, war er völlig versunken in das Wunder. Ich war zwar aus beruflichen Gründen hier, doch auch, weil es Teil des Alltagsleben des neunzehnten Jahrhunderts war: eine große Parade. Ich mochte sie sehr. Es gab keine Filme, kein Radio und Fernsehen, aber Paraden, und nicht gerade selten. Jeder noch so kleine Fleck auf dem Union

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