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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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einleuchtend, sie nickten zustimmend, ich aber flüsterte Frank zu: »Ist das wahr? Ist es wirklich nicht gefährlich?«
    »Natürlich ist es gefährlich«, sagte er ruhig, »obwohl er das, was er sagt, beinahe auch glaubt; er hat nicht die geringste Angst. Aber dieses kleine, völlig unzureichend angetriebene Ding kann durch eine unerwartete Böe leicht umkippen, stärkere Winde könnten es auseinanderreißen. Eine verrückte Sache, die keine Zukunft hat. Die Zukunft gehört Flugzeugen mit starken Motoren. Aber ich mag den Mann; ich habe ihn letzte Nacht kennengelernt. Im Herzen ist er ein Junge, der mit seinem Spielzeug spielt. Eines Tages aber wird es ihn umbringen.«
    Die Reporter kamen mit ihren Interviews zu einem Ende, Knabenshue schrie: »Fertig!«, wir alle traten wieder an die Leinen und stießen die Sandsäcke auf ein Zeichen zur Seite. Wir hielten das Ding dann etwa einen Meter fünfzig über den Boden, seine Nase wies etwas nach unten. Knabenshue griff in einen der Dutzend Sandsäcke, die an Drähten um ihn herum befestigt waren, nahm eine Handvoll Sand heraus, mehr nicht, streute ihn auf den Boden und beobachtete die Nase. Sie hob sich ein wenig, er verstreute eine weitere Handvoll Sand und stellte so sein Fluggerät gerade. Er saß über uns. Ich konnte es nicht sehen, aber irgendwie startete er den Motor, ein langsames Putt-putt war zu hören; dann beschleunigte er zu einem schnellen Putter-putter-putter. Ich hätte der Maschine nicht einmal auf einem Golfwägelchen vertrauen mögen, aber Knabenshue wiederholte sein ›fertig‹, und wir ließen alle auf einen Schlag die Leinen los und traten zurück. Das Gerät stieg hoch, die Nase senkte sich ein wenig, war aber gleich wieder ordentlich ausgerichtet.
    Es stieg geradewegs in den Himmel, nicht schnell, nicht langsam, die Kinder schrien und sprangen herum, die Erwachsenen gaben die bewundernden Ausrufe des Erstaunens von sich, die man oft bei Feuerwerken hört. Dreißig Meter hoch, sechzig, ich weiß es nicht, aber hoch genug, um kleiner zu werden. Senkrecht nach oben, er sah großartig aus, der gelbe Wal im blauen Himmel, nun wusste ich, warum er diese Farbe gewählt hatte; Knabenshue ähnelte mit seinen, auf den winzig dünnen Aluminiumstecken gespreizten Beinen einem Skifahrer, mit der einen Hand winkte er, mit der anderen hielt er etwas fest. Noch ein wenig höher, dann trug ihn eine Brise von Westen über die 8th Avenue hin zum Park. Knabenshue bewegte sein Ruder und – er stieg noch immer – tuckerte nach Süden davon.
    Die Menge löste sich auf, und alle machten sich, je nach Alter und Kondition, schnell oder weniger schnell wieder auf den Weg. »Kommen Sie«, rief Coffyn. Über die Straße, in seinen Wagen; dann wendete Coffyn langsam, drückte wiederholt auf seine Hupe, denn die Straße war voller Kinder, die alle nach Süden rannten. Dann waren wir sie los, und wir folgten dem Ballon, der vor und über uns schwebte. Knabenshue war eine halb stehende, halb sitzende Silhouette, die immer kleiner wurde, je höher der Ballon stieg und mit diesem lächerlich schwachen Motor und seinen Stoffpropellern dahintuckerte. Er flog weiter und schließlich beinahe mitten über das Circle Theatre nordwestlich des Columbus Circle. Frank steuerte uns um den Columbus Circle auf den Broadway, wohin Knabenshue zu fliegen schien.
    Während er fuhr, sandte Frank immer wieder kurze Blicke nach oben; das Jotta Girl und ich starrten mit offenem Mund und in den Nacken gelegtem Kopf hoch und folgten Knabenshue mit den Augen. Manchmal schien er direkt über unseren Köpfen zu sein, eine Böe, und er wurde an die eine oder andere Seite des Broadway abgetrieben. Weiter, höher – Knabenshue wurde allmählich kleiner, man hatte den Eindruck, dass er auf schwarzen Fäden zu stehen schien, die von einem gelben Wal herabhingen. Über den Hotelbezirk am Upper Broadway ging es jetzt – er hatte seine dreihundert Meter wohl erreicht, dachte ich. Der schwache Wind dort oben trug ihn nun nach Osten über die 7th Avenue. Leute erschienen an den Fenstern, blickten hoch und sahen ihn über die Dächer hinwegziehen. Hinunter zur 50th Street, westlich am Winter Garden vorbei, und Knabenshue – er bewegte die Ruder, nahm ich an – flog nun hoch über dem Broadway dahin.
    Der war bereits informiert – telefonisch, nahm ich an –, schneller, als Knabenshue fliegen konnte. Denn nun standen überall um uns herum Passanten, blickten sich um und dann nach oben, riefen, zeigten,

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