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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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obligatorisch, eine Geste der Höflichkeit, die Kamera zu heben und sie zu fotografieren. Aber der Sucher meiner Kodak hatte etwa die Größe einer gewöhnlichen Briefmarke, daher bemerkte ich nicht die Frau hinter ihnen – sehen Sie sie? –, bis ich meine Kamera wieder herunternahm. Dann, als sie an mir vorbeikam, blickte ich hinab und sah auf ihrem Hut den ausgestopften Vogel mit seinem runden leeren kleinen Glasauge. Und sah, wie sich dieses Auge schloss und wieder öffnete – der Vogel lebte. Es war eine Taube – ich hatte die Dove Lady gefunden!

    Und irgendwo hinten in der Menge befand sich wahrscheinlich Z, der ihr nachträumte. Als ich mich vorbeugte, um besser nach ihm Ausschau halten zu können, schob sich ein großes rosarotes Etwas in mein Blickfeld und versperrte mir die Sicht. Und inmitten dieses großen rosaroten Gebildes erblickte ich das Gesicht des Jotta Girls, die zu mir hochsah und sagte: »Was in aller Welt machen Sie denn da?«
    Ich wedelte abwehrend mit der Hand, um sie zu verscheuchen. Sie trat zwar zur Seite, aber die Menge hatte sich – wie die beweglichen Teile eines Kaleidoskops – weiterbewegt; Z und die Möglichkeit, ihn zu entdecken, waren verstrichen, vorbei.
    Als ich meine Filmrolle zurückerhielt, ließ ich diesen Teil des Fotos vergrößern. Hier ist er; das ist der Moment, wo die Linse meiner Kamera sie sah. Ich blinzelte in den kleinen briefmarkengroßen Sucher, als meine Kamera die Dove Lady festhielt – können Sie die lebende Taube auf ihrem Hut erkennen? Doch als ich mein Auge wieder von dem Sucher nahm, sah ich nichts weiter, als den Hut des Jotta Girls. Ich hatte das Gesicht der Dove Lady nicht gesehen, jetzt war sie an mir vorüber, und die Chance vertan.

    »Ich besorge ein Taxi«, sagte ich barsch und trat zum Straßenrand, wo ich die hintere Tür eines großen roten Wagens aufriss. Dann ließ ich das Jotta Girl einsteigen, rief dem Fahrer »Plaza Hotel« zu, schloss die Wagentür sehr nachdrücklich und entfernte mich schnell, als er sich gleich darauf in den Verkehr des Broadway einfädelte und bevor mir etwas herausrutschen konnte, das ich besser nicht gesagt hätte.
    Ich drehte mich um; auf dem Gehweg konnte ich noch den Hut der Dove Lady und die erstaunten Gesichter der Fußgänger sehen, als sie den lebenden Vogel erblickten. Ich wusste, wohin sie unterwegs war. Ich hatte ihr Bild im Foyer des Fifth-Avenue-Theaters gesehen, auf jeder Schulter einen Vogel. Das war sie – eine Varietékünstlerin. Jedes Interesse, alles Geheimnisvolle an ihr war mit einem Mal verschwunden. Ich wandte mich um, um mich zu Fuß auf den Rückweg zum Hotel zu machen, und versuchte mich zu beruhigen; es war nicht der Fehler des Jotta Girls gewesen.
    Nachdem ich zwanzig Häuserblocks hinter mich gebracht hatte, und in der Hotellobby ankam, ging es mir wieder besser – das Jotta Girl wartete in einem Sessel neben dem Aufzug auf mich. Keine Reaktion auf mein gewollt unschuldiges Lächeln. Sie stand einfach auf; als sich die Aufzugstür öffnete, trat sie mit mir ein und sagte: »Zehnter Stock, bitte.« Dann starrte sie nur auf den Rücken des Fahrstuhljungen, bis er im zehnten die Tür öffnete.
    Die Türen schlossen sich hinter uns, sie drehte sich zu mir um und sagte mit eisiger Stimme: »Nun, ich habe wohl das Recht, eine Erklärung für Ihr erstaunlich rüdes Verhalten zu verlangen.« Im Korridor bog ein Mann um die Ecke und kam auf uns zu; in seiner Hand baumelte ein Hotelschlüssel an einem Anhänger. »Warten Sie einen Moment.« Sie ging voraus, an zwei geschlossenen Türen vorbei, holte aus ihrer Handtasche den Zimmerschlüssel heraus, öffnete die Tür, und hieß mich mit einem energischen Rucken ihres Kinns eintreten. Nachdem sie abgeschlossen hatte, ging sie an mir vorbei – ein großes Zimmer, größer als meines – und baute sich vor mir auf.
    »Nun?«
    Ich war bereit. »Es tut mir außerordentlich leid. Ich entschuldige mich. Aber ich kann Ihnen nicht viel erzählen. Ich bin … eine Art Detektiv, könnte man sagen. Ich bin auf der Suche nach jemandem. Ich wollte gerade in das Taxi einsteigen, als ich dachte, ihn gesehen zu haben. Das ist es schon. Also schloss ich die Tür …«
    »Sie haben sie zugeschmettert.«
    »Das kann sein. Aber ich war in Eile und hatte keine Zeit für Erklärungen, um ihn nicht zu verlieren.«
    »Und – war es Ihr Mann?«
    »Nein. Es war der falsche.«
    Sie trat auf mich zu und schaute mir in die Augen. »Si, ist das

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