Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
Vom Netzwerk:
Plüschsessel ebenso wie die anderen um mich herum waren abgewetzt und würden bald durchgewetzt sein.
    Einige Frauen kamen den Gang herunter, sie waren jung, allein, und achteten darauf, Sitze zu bekommen, die zu beiden Seiten viel Platz hatten; dann beschäftigten sie sich mit ihren Hüten. Schließlich erschien das Orchester aus einem schwarzen Gang unterhalb der Bühne. Die Musiker zogen die Köpfe ein, als sie durch die kleine Tür traten, und versammelten sich unterhalb unserer Augenhöhe mit ihren Instrumenten hinter einem grünen Vorhang. Kleine Lichter an den Notenständern gingen an, das Stimmen der Instrumente und das Spannen der Saiten begannen. Jetzt kamen die Leute – gleich ein ganzer Schwung – die Gänge herab; die meisten waren Männer, hin und wieder paarweise Frauen. Die Lichter im Saal gingen aus, und die Rampenlichter leuchteten auf. An jeder Seite der Vorbühne ging das Licht in einer gläsernen Anzeige an: A stand darauf zu lesen, ich sah in meinem Programmheft nach: Ausgewählte Orchesterstücke. Das Programm begann mit einem schnellen Marsch; viele Querpfeifen und Trommeln. Auf der nächsten Seite waren Vernon und Vera unter E aufgeführt. Aber Vernon und Vera hießen nun vermutlich Tessie und Ted .

    A ging aus, und B leuchtete auf, für The Hurleys. Auf ein Zeichen des Taktstocks hin verstummte das Orchester, das Rampenlicht ging aus, der Vorhang öffnete sich … ein Garten, vielleicht? Ja. Die Kulisse eines Gartens. Zwei niedrige Marmorstufen vorne an der Bühne führten zu einer mit Balustraden umgebenen Terrasse, die sich bis ans hintere Ende der Bühne erstreckte und dann in eine gemalte Gartenlandschaft überging, die sich perspektivisch bis zum fernen Horizont hinzog. Neben den Stufen, auf zwei niedrigen Säulen, ein Paar lebensgroße Bronzestatuen – Männer mit verschränkten Armen, als ob sie dort Wache stünden; die bronzenen Körper glänzten unter den Scheinwerfern, die sie von oben anstrahlten.
    Was kam als Nächstes? Die Musik spielte gedämpft, ein kräftiger Rhythmus folgte, die Bühne aber blieb einen spannenden Augenblick lang leer. Plötzlich flog eine Gestalt über die Bühne: ein Mann in einem Trikot, der auf einem fliegenden Trapez stand, das fast den Boden der Veranda streifte. Als er dann den obersten Punkt seiner Flugbahn erreichte, trat er elegant von seinem Trapez auf ein kleines Trittbrett, wo er sich in die Richtung drehte, aus der er gekommen war. In diesem Moment flog ein Mädchen, ebenfalls im Trikot, an ihm vorbei und ließ sich auf einem Trittbrett an der gegenüberliegenden Seite nieder. Das Paar, das sich nun gegenüberstand, lächelte.
    Dann begannen sie eine Art Luftballett zu Musik aufzuführen: fast nicht gefährlich, aber elegant und anmutig. Er ergriff sie am Handgelenk, während sie ihr Trapez losließ, um sich ihm in der Luft zuzuwenden … und sie schwangen auf einem Trapez weiter. Zwei weitere Trapeze kamen wie von Zauberhand von den Seiten angeflogen, und beide wechselten jeweils auf diese über …
    Es machte Freude zuzuschauen, sie waren wirklich bezaubernd – es störten nur die Leute, die noch immer kamen, sich durch die Reihen drängten und sich auf ihre Plätze warfen. Im Halbdunkel rief eine Frau einer anderen zu: »Edna, wir sind hier!« Wenn das zum gewöhnlichen Ablauf gehörte – es schien fast so, da sich niemand darüber aufzuregen schien –, dann würde der erste Auftritt sicher immer ohne gesprochenen Text auskommen müssen.
    Die beiden Trapezkünstler hatten ihre Darbietung nun beendet. Sie ließen sich auf den Boden herab und verbeugten sich vor dem applaudierenden Publikum, lächelten und wiesen mit anmutigen Handbewegungen auf den jeweils anderen. Als sie Hand in Hand abtraten, dachte ich – sollte ich vielmehr denken –, dass die Nummer vorüber sei.
    Doch dann verging mir Hören und Sehen, als – das Orchester hatte das Tempo beschleunigt – die beiden bisher regungslosen Statuen die Bühne betraten und einen unglaublich guten Holzschuhtanz hinlegten. Sie steppten nicht, sondern klapperten in ihren Holzschuhen scheinbar mühelos und rhythmisch zu der Musik, mit schwungvollen, perfekt aufeinander abgestimmten Gesten. Ihre Bronzegesichter lächelten uns an. Es war hinreißend, einfach toll, und als sie fertig waren und die Luftmenschen erneut vortraten, bekamen die vier donnernden Applaus – ich klatschte mit den übrigen Leuten um die Wette. Ein schöner Schluss; der grüne Vorhang ging dreimal hoch

Weitere Kostenlose Bücher