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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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im Orpheum. Und es ist toll, ein Zimmer wie das zu haben, das ich diese Woche habe, und ein Essen wie das heute Abend. Und schöne Klamotten, große Bühnen, in Schlafanzügen zu schlafen und den Clubs anzugehören, in denen man George M. Cohan und Andrew Mack und all die Leute trifft, die einen sogar fragen, ob man an ihrer Show teilnehmen möchte. Oh, keine Frage, das alles ist wunderbar, wenn es läuft. Sollte es ein Traum sein, dann weckt mich nicht auf. Und wenn es wahr sein sollte, dann, bitte, lasst die Commercial Trust Company nicht untergehen, denn dort habe ich mein ganzes Geld angelegt. Also wünsche ich euch allen Glück, und der Erfolg kommt, wenn man ihn sich verdient hat. Spielt eure eigenen Sketche und lasst die anderen leben. Gute Nacht, Leute, genug für heute.«
    »Nacht, Daffy«, erwiderten sie. »Komm mal wieder vorbei.« John holte eine Uhr heraus, ließ den Deckel aufschnappen, schaute auf das Ziffernblatt und gähnte. Als hätten sie auf dieses Zeichen gewartet, standen alle auf, streckten sich ein wenig, ich gab ihnen die Hand und dankte diesen netten Menschen für ihre Gesellschaft. Ich glaube, meine Stimme sagte ihnen, dass ich den Abend mit ihnen wirklich genossen hatte; denn als sie mich – freundlich lächelnd – wieder einluden, klang es ehrlich und aufrichtig.
    Sie gingen nach drinnen; ich blieb mit Maude Boothe zurück. Sie fragte mich, wo ich wohne, und mit gespielter Ehrfurcht zog sie die Brauen hoch, als ich es ihr erzählte. Dann sagte sie, dass sie anrufen wolle, wenn sie etwas über Tessie und Ted erfahren würde.
     
    Ich ging direkt zum Plaza zurück; ein langer Weg, und es war spät; sehr, sehr spät. Aber dieser Abend war für mich sehr aufregend gewesen; ich dachte darüber nach. Und darüber, dass ich hier sein konnte, hier in diesem seltsamen New York, wo fast alles – aber nur fast – mir vertraut war. Ich ging den Lower Broadway entlang, den ich so gut kannte. An Gebäuden, an denen ich mit Julia vorbeigegangen war, und hörte – ungewöhnlich für den Broadway – kein Geräusch außer meinen Schritten, sah keinen Scheinwerfer, kein Auto. Ich drehte mich um, auch hinter mir war alles leer. Aus den phantasielosen, dunklen Geschäfts- und Bürohäusern drang dann und wann ein dünnes, tief im Gebäude gelegenes Licht.
    Dann ganz plötzlich eine Irritation, bis ich erkannte, was es war. Ein Duft. Da war eben ein Duft gewesen, der gleich wieder verschwunden war. Dann war er wieder da, stärker noch, und blieb. Was war das nur? Frisch gebackenes Brot; die Luft war erfüllt davon; tief sog ich den Duft ein. Und gleich darauf bot sich mir ein Anblick fast wie in einem Traum: eine schweigend und regungslos dastehende, riesige Menschenschlange. Als ich mich ihr näherte, konnte ich sie erkennen: Es waren Männer, die da ruhig in einer Reihe in der Straße standen, mitten in der Nacht. An der Straßenecke – Broadway und 11th Street – hing ein Holzschild, auf das Fleischmanns Bäckerei gepinselt war. Ich trat näher und besah mir diese Männer, verwahrloste, stille Männer in Mänteln mit abgerissenen Taschen, Jacken, die mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurden, einige hatten noch nicht einmal Mäntel oder Jacken.
    Ein Polizist stand in ihrer Nähe und ließ sie nicht aus den Augen – hoher Helm aus schwerem braunem Filz, blauer Mantel, der bis über die Knie reichte. Er blickte mich an, dachte offenbar, dass ich ein Gentleman sei, und sagte: »Guten Abend, Sir.«
    »Guten Abend, Officer.« Ich blieb stehen. »Was ist denn hier los?«
    »Fleischmann verteilt um Mitternacht das Brot vom Vortag.« Beide blickten wir nach Norden zu den großen, runden Scheinwerfern, die etwas holpernd auf uns zukamen. Der Wagen wurde langsamer und blieb vor uns am Gehweg stehen; eine Limousine, lang, hochglanzpoliert, exklusiv. »Officer!«, rief die Lady, noch während sie unter der Straßenlampe ausstieg – sie war jung, attraktiv, trug ein langes pastellfarbenes Kleid und einen riesigen Hut. Eine ältere Frau war ihr gefolgt. Sie trug ein Kleid, das vage an eine Uniform erinnerte und sicher auch eine war. In ihrer Hand hielt sie einen Beutel.
    »Wir geben eine Party!«, rief die Jüngere ausgelassen dem Polizisten zu, mit einer Stimme, die einlud, an ihrer Freude teilzuhaben. »Verstehen Sie«, sagte sie, davon überzeugt, sein Interesse geweckt zu haben, »erst wollte ich für meine Freunde eine Dinner-Party geben. Dann dachte ich, es wäre viel besser, eine Dinner-Party

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