Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
Vom Netzwerk:
überstanden – wenn wir sie überhaupt geschafft hätten.
    Fairfax verließen wir bei dunkelster Nacht und ritten fast den gesamten Weg nach Falls Church. Ab Centerville war der Präsident beinahe blind, denn das Eis legte sich auf seine Brille und behinderte die Sicht. Er vertraute nun einfach auf Roswell. Ich übernahm die Führung, er unmittelbar dahinter, gefolgt von Gregson und Admiral Rixey.
    Ich wagte nicht zu galoppieren, denn wir waren unserem Ziel zu nah, um noch Unfälle riskieren zu können. Als wir einmal zu traben anfingen, lief das Pferd des Präsidenten in einen Graben, fing sich aber, ohne sich oder den Reiter zu verletzen. Ab Falls Church trabten wir, denn da waren die Straßen besser, und durch die Lichter von Washington, das neun Meilen entfernt war, konnten wir seltsamerweise die Straßen besser sehen. Es war genug Schnee gefallen, um sicher auf ihnen vorwärtskommen zu können, also trabten wir die ganze Strecke bis zur Aqueduct Bridge. Als wir die beleuchtete Anfahrt erreichten, sahen wir die Kutsche vom Weißen Haus, die ich bestellt hatte, bevor wir Fairfax verlassen hatten. Aber als die Frage aufkam, ob die asphaltierten Straßen für die Pferde sicher genug seien, entschied der Präsident, ›wir werden es mit unseren Pferden bis zum Weißen Haus schaffen, und wenn wir sie führen müssen‹.
    Mrs. Roosevelt hielt vom Fenster von Miss Ethels Zimmer aus nach uns Ausschau, und als wir ankamen, stand sie bereits an der Tür und hieß uns willkommen. Wir waren über und über mit Eis bedeckt, und der Präsident in seiner schwarzen Jacke mit Pelzkragen und seinem breitkrempigen schwarzen Hut sah aus wie der Nikolaus. Mrs. Roosevelt hieß uns eintreten und brachte uns einen Julep, den ersten Tropfen Alkohol auf unserem Ritt.
    Am nächsten Tag konnte ich mich kaum rühren und hatte überhaupt keine Lust aufzustehen. Dennoch verließ ich zur gewohnten Zeit das Haus und meldete mich um zehn beim Präsidenten. Ich konnte nicht widerstehen, bei meinem Club vorbeizuschauen, denn ich wusste, dass sie dort alle dachten, wir seien nun einige Tage lang außer Gefecht gesetzt.«
    Wir saßen in dem vollbesetzten Restaurant, und eine Minute lang sagte ich nichts. Ich dachte über amerikanische Präsidenten nach. Nichts Besonderes, nur, dass es viele unterschiedliche Charaktere unter ihnen gab. Und dass wahrscheinlich die älteren Jahrgänge etwas besaßen, wovon die jungen nicht einmal eine Ahnung hatten. Jedenfalls, wenn es stimmte, dass hier um 1912 die Gründe für den Großen Krieg noch klein, handhabbar und zu beeinflussen waren, sodass der Krieg verhindert werden konnte  … dann waren vielleicht dieser große, freundliche, kompetente und ehrenwerte Mann und die beiden Präsidenten, denen er diente, genau die Menschen, die das schaffen konnten.
    »Es ist fast halb elf Uhr«, sagte Archie. »Wir sollten nun aufbrechen, wenn wir noch zu unserer Party auf der Mauretania wollen.«

24
    Wir fuhren im Taxi mit etwa fünfunddreißig Stundenkilometern die 7th Avenue hinunter und dann auf der 14th Street nach Westen zum Hudson River, als wir mitten im Satz, mitten im Lachen vor Schreck zusammenfuhren. Wir hatten ein Geräusch gehört, das einem buchstäblich die Haare zu Berge stehen ließ; es war das unheimliche, tiefe Heulen eines Schiffshorns. Es hielt an, weiter und weiter, wirbelte die Moleküle der Luft auf und wollte nicht mehr aufhören – so tief und dumpf, dass es einem in die Knochen fuhr. Endlich verstummte es, nicht aber in meinem Kopf und in meinen Nerven. Wir bogen in die West Street ein und fuhren dann am Fluss und an den Kais entlang. In diesem Moment sahen wir plötzlich, nur wenige Kais entfernt, die vier riesigen, von Scheinwerfern angestrahlten Schornsteine der Mauretania, sie waren im Rot der Cunard- Gesellschaft gestrichen und am oberen Ende schwarz abgesetzt, unter ihnen leuchteten die strahlend weißen Deckaufbauten. Nun erklangen wieder die tiefen klagenden Rufe und hörten vermutlich irgendwann auf; doch sie setzten sich noch lange wie ein Echo im Kopf fort. Der erregende Anblick der vier riesigen Schornsteine, die sich von der Nacht abhoben, und die nun fast fordernd klingenden Töne des Horns – ich wollte nichts lieber auf der Welt, als mit diesem Schiff auszulaufen.
    Wir hielten hinter einem Dutzend anderer Kutschen und Wagen, aus denen Koffer ausgeladen wurden, und stiegen aus – hinein in eine Oase aus Licht, Lärm, Gelächter und Schreien – eine Oase, die von einem

Weitere Kostenlose Bücher