Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
Vom Netzwerk:
dunkel und verlassen aussehenden Lower Manhattan umgeben war. Bis auf den Bug des Schiffes, der erstaunlicherweise fast den Gehweg berührte und an dem der magische Name Mauretania prangte, und die vier großen Schornsteine, die sich über allem erhoben, war alles andere von dem mächtigen, hässlichen Schindeldach des Docks verdeckt, das hoch über unseren Köpfen schwebte. Dahinter, an der anderen Seite, lag der Hudson; der Mond berührte die Wellen mit seinem gelben Licht. Ein magischer Moment für mich und wohl auch für das Jotta Girl, denn während wir so dastanden und auf Archie warteten – er beugte sich in das Taxi und bezahlte den Fahrer – schob sie ihren Arm unter meinen.
    Aus den am Straßenrand parkenden Taxis und Wagen stiegen Leute: manche selbstbewusst, andere vorsichtig und beunruhigt um sich blickend, voller Angst, das Schiff könnte plötzlich ablegen. Die meisten aber waren fast ausgelassen. Eine Gesellschaft, sechs Leute in einem Taxi, alle in Abendgarderobe, schrie betrunken herum.
    Einige hatten ihr Gepäck auf die Gepäckträger hinten auf den Wagen geschnallt oder auf den flachen Dächern festgebunden. Erfahrene Reisende dagegen hatten es bereits im Laufe des Tages an Bord bringen lassen.
    Ein Polizist schickte mit geübten Gesten die Taxen fort, sobald sie entladen waren. Als das unsere wieder in die West Street einbog, rollte fast lautlos eine große graue Limousine, nur wenig kürzer als ein Laster, heran. Die Hand des Polizisten ging respektvoll grüßend an den Rand seines Helms, zwei Reporter mit Melonen – ich war mir sicher, es waren Reporter – kamen angelaufen, ein Dritter lief neben dem Wagen her.
    Archie, das Jotta Girl und ich beobachteten, wie die Limousine unter einer Straßenlaterne stehen blieb. Auf dem offenen Vordersitz ein Chauffeur mit einer Schildkappe und ein Bediensteter mit Seidenzylinder, beide in dunkelgrüner Uniform. Der Bedienstete sprang auf den Gehweg, noch bevor der Wagen ganz zum Stehen gekommen war, eilte zur hinteren Tür und fasste nach dem großen silbern glänzenden Griff. Er öffnete die Tür in dem Moment, als der Fahrer die Handbremse anzog – ein langes knarrendes Geräusch –, dann sprang der Fahrer heraus und begab sich sofort zu einem Laster mit der Aufschrift Ludlock’s Express Company, der hinter der Limousine geparkt hatte. Der Bedienstete hatte nun die Tür geöffnet, einer der Reporter beugte sich vor, nickte und lächelte den Leuten in dem Wagen zu.
    Mit eleganten Bewegungen stiegen sie aus: zwei Frauen, um die sich der Bedienstete kümmerte, zuerst die Jüngere, ihr seidener Schuh tastete nach dem breiten Trittbrett; sie musste sich kaum bücken, da das Wagendach so hoch war. Dann die Ältere, die vorsichtig und mit kräftiger Unterstützung des Chauffeurs ausstieg. Die jüngere Frau blickte sich freimütig um; sie sah blendend aus, und das Jotta Girl sagte leise: »Unglaublich.«
    Ihr Mantel war lang und dunkel – blau oder schwarz, das ließ sich in dem Licht nicht erkennen – und hatte einen Hermelinkragen. Sie trug außerdem einen Hermelinmuff und einen dunklen Hut – eine Art Turban, an dem an jeder Seite ein scharlachroter Flügel befestigt war, eine richtige Vogelschwinge; sehr spektakulär. Der Reporter sagte etwas zu ihr, sie wandte sich ihm zu und antwortete. Das Licht der Straßenlaterne fiel auf eine diamantene Halskette und berührte einen großen ovalen Anhänger, der wie ein kleines Feuerwerk aufblitzte. »Echt«, sagte neben mir das Jotta Girl, »ohne jeden Zweifel …« Das Profil der Frau war nun im Licht gut zu sehen, und ich erkannte, dass sie – nun, wenn man nicht schön sagte, so würde man sicherlich auch nicht einfach nur hübsch sagen. Unverwechselbar, vielleicht, wie sonst keines. Man merkte, dass sie sich ihrer selbst sehr sicher war, schon immer gewesen war. Die ältere Dame war einfach gekleidet; sie trug zwar keine Uniform, dennoch sah man ihr an, dass sie eine Untergebene war. Sie trat zu dem Express -Laster, wo der Fahrer die Koffer zur geöffneten Laderampe schob, von wo der Bedienstete und der Chauffeur sie auf den Gehweg hievten.
    Der Polizist war zu ihnen hinübergeschlendert – es zog ihn zu diesen Leuten wie einen Nagel zu einem Magneten –, und die Lady ließ ihm ein kleines zurückhaltendes Lächeln zukommen. »Es wird nicht allzu lange dauern«, sagte sie; der Polizist grüßte noch einmal kurz und warf sich ihr zu Füßen – nun ja, ganz so war es eigentlich nicht, aber

Weitere Kostenlose Bücher