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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Mund. »Das Dakota gefällt Ihnen«, sagte er; es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich nickte lächelnd, und Danziger lächelte ebenfalls. Er sagte: »Es gibt noch andere, in ihrer Grundsubstanz kaum veränderte Gebäude in New York, manche sind ebenso schön und viel älter, das Dakota jedoch ist einzigartig. Wissen Sie, warum?« Ich schüttelte den Kopf. »Nehmen Sie an, Sie stehen am Fenster eines der oberen Apartments und blicken auf den Park hinunter; sagen wir in der Morgendämmerung, wenn nicht viele Autos zu sehen sind. Um Sie herum ist ein Gemäuer, das seit dem Tag seiner Erschaffung unverändert geblieben ist, selbst das Zimmer, in dem Sie stehen, vielleicht sogar das Glasfenster, durch das Sie schauen. Und was es für New York noch einzigartiger macht, ist, weil alles, was Sie draußen vor dem Fenster sehen, ebenfalls unverändert ist.«
    Er beugte sich über den Schreibtisch vor zu mir und starrte mich unbeweglich an; nur die Zigarrenhälfte wanderte langsam von einem Mundwinkel zum anderen. »Und jetzt hören Sie mir genau zu!«, sagte er scharf. »Das Immobilienunternehmen, das das Dakota als Erstes betrieb, existiert noch immer. Wir haben alle ihre Aufzeichnungen auf Mikrofilm aufgenommen. Wir wissen genau, wann die Apartments, die zum Park hin gelegen sind, unbewohnt waren und für wie lange.« Er lehnte sich zurück. »Stellen Sie sich vor, dass eines der oberen Apartments zwei Monate lang im Sommer 1894 leer gestanden hat. Was es damals auch tat. Und stellen Sie sich weiter vor, dass wir – was wir bereits getan haben – genau dieses Apartment für die kommenden Sommermonate gemietet haben. Und jetzt passen Sie bitte auf. Wenn Albert Einstein mit seiner Theorie recht hat – was ich nicht bezweifle –, dann, so schwer es auch zu verstehen sein mag, existiert der Sommer 1894 noch immer. Dieses stille, leere Apartment existiert in jenem Sommer, genau wie es im jetzt kommenden Sommer existiert. Unverändert, das gleiche Apartment, sowohl in jenem Jahr als auch heute, in beiden existiert es. Ich glaube, dass es in diesem Sommer möglich sein könnte, einfach möglich sein könnte – Sie können mir doch folgen? –, dass ein Mann aus diesem unveränderten Apartment hinausgeht und in jenen Sommer hinein.« Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, seine Augen waren fest auf die meinen gerichtet, die Zigarre zitterte leicht, während er sie kaute.
    Nach einer langen Pause sagte ich: »Einfach so?«
    »Oh nein!« Er schoss nach vorne und beugte sich wieder über den Tisch. »Natürlich nicht einfach so«, sagte er und lächelte mich plötzlich an. »Die unzählbaren Millionen unsichtbarer Fäden, die hier existieren, Si« – er berührte seine Stirn – »fesseln ihn an diesen, an unseren Sommer, ganz egal, wie unverändert das Apartment auch sein mag.« Er lehnte sich zurück, sah mich an und lächelte noch immer. Dann sagte er ruhig und sachlich. »Aber ich könnte sagen, Si, dass das Projekt genau an dem Tag begann, an dem mir der Gedanke kam, dass es vielleicht eine Möglichkeit gibt, diese Fäden zu lösen.«
    Ich verstand. Ich kannte den Zweck des Projekts. Ich kannte ihn bereits seit geraumer Zeit, natürlich, aber nun war er laut ausgesprochen worden. Mehrere Sekunden lang nickte ich bedächtig; Danziger wartete darauf, dass ich etwas sagte. Schließlich tat ich es. »Und warum? Warum wollen Sie das?«
    Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und zuckte mit den Schultern. »Warum wollten die Wrights ein Flugzeug bauen? Um Arbeitsplätze für Stewardessen zu schaffen? Oder uns die Möglichkeit zu geben, Vietnam zu bombardieren? Nein, ich glaube, alles, was sie wollten, war, zu sehen, ob sie es konnten. Ich bin überzeugt, deswegen schossen die russischen Wissenschaftler ihren ersten Satelliten ins All, ohne einen Gedanken an irgendeinen Nutzen daran zu verschwenden. Aus keinem anderen Grund, als zu sehen, ob sie es konnten, wie Kinder, die einen Knallkörper unter eine Blechdose legen, um zu sehen, ob sie hochgeht. Und ich glaube auch, das ist Grund genug. Für ihre Wissenschaftler wie für unsere. Beeindruckende Absichtserklärungen wurden später dazuerfunden, um die horrenden Kosten dieser Spielzeuge zu rechtfertigen, aber die ersten Versuche wurden nur um ihrer selbst willen unternommen, und das ist auch unser Grund.«
    Dagegen hätte ich nichts einzuwenden, sagte ich. »Schön, aber warum Winfield, Vermont, um 1926? Oder Paris um 1451? Oder das Apartment im Dakota

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