Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Building um 1894?«
»Die Orte selbst sind für uns nicht wichtig.« Er nahm die Zigarrenhälfte aus dem Mund, sah sie angewidert an und steckte sie sich wieder zwischen die Zähne. »Ebenso die Zeit. Sie stellen nichts anderes dar als zufällige Gelegenheiten. Wir haben an den Crow kein besonderes Interesse, weder an denen von 1850 noch zu anderen Zeiten. Aber zufällig gibt es einige Tausend Morgen Regierungsland in Montana, das weitgehend unberührt ist, unverändert seit 1850. Vier oder höchstens fünf Tage lang wird das Landwirtschaftsministerium dieses Gebiet für uns absperren – keine Autos oder Greyhound-Busse – und die Jets fernhalten. Es wird uns auch eine Herde von etwa tausend Bisons besorgen. Könnten wir das Gebiet einen Monat lang haben, brauchten wir nicht die Simulation unten in der Halle. Unser Mann wird sich dort an die Umstände gewöhnen und – wie wir hoffen – dann das Beste aus den wenigen Tagen machen, die uns am realen Schauplatz zur Verfügung stehen.
Und Winfield«, er wies auf die Fotografie an der Wand, »eine kleine Stadt in einem Gebiet mit ausgelaugtem Farmland, praktisch verlassen, als wir sie bekamen. Vierzig Jahre lang ist sie langsam vor sich hingestorben und hat immer mehr Einwohner verloren. In den letzten dreißig Jahren hat kaum noch jemand Geld in Modernisierungen investiert, um das Unvermeidliche aufzuhalten. Eine wohlbekannte Entwicklung in einigen Teilen New Englands; Geisterstädte sind nicht nur im Westen zu finden. Diese hier lag isolierter als die meisten anderen, also kauften wir sie durch eine andere staatliche Agentur, einfach als zufällige Gelegenheit. Angeblich, um einen Damm an ihrer Stelle zu bauen.«
Danziger grinste. »Wir haben die Zufahrtsstraße geschlossen und restaurieren sie nun. Welch ein Spaß! Die Umkehrung dessen, was sonst gemacht wird: eine Schnellstraße durch eine schöne alte Stadt zu bauen oder ein reizendes altes Bauwerk durch fensterlose Monster zu ersetzen. Leute mit ausgeprägter Zerstörungsmentalität würden vor Ärger verrückt werden, aber unsere Leute verbringen eine wunderbare Zeit dort.« Er lächelte wie ein Seemann, der von seinem schönsten Landgang berichtet.
»Sie reißen alle Neonröhren heraus, jede Telefonwählscheibe, jede Glühbirne. Die meisten elektrischen Einrichtungen haben wir bereits entfernt: elektrische Rasensprenger und dergleichen. Wir entfernen jedes Stück Plastik, restaurieren die Gebäude und reißen die wenigen neuen ab. Selbst den Teerbelag einiger Straßen entfernen wir und machen aus ihnen wieder hübsche gepflasterte Straßen. Wenn wir fertig sind, wird die Bäckerei frisch gebackenes Brot in weißes Papier einschlagen. In Gelardis Laden wird frisches Gemüse mit Wasser besprüht, um es kühl zu halten. Die Feuerwehr wird von Pferden gezogen, alle Automobile stammen aus der damaligen Zeit, und die Zeitung wird täglich Duplikate der Ausgaben von 1926 drucken. Wir arbeiten nach intensiven Studien und der Auswertung von Fotografien und Aufzeichnungen der Stadt; wenn wir fertig sind, dann wird das kleine, in Vergessenheit geratene Winfield wieder so sein, wie es 1926 war. Nun, was halten Sie davon?«
Ich lächelte ihn an. »Klingt beeindruckend. Und teuer.«
»Überhaupt nicht.« Danziger schüttelte entschieden den Kopf. »Es wird uns, alles in allem, etwas mehr als drei Millionen Dollar kosten, weniger als die Kosten von zwei Stunden Krieg. All dies zum Wohle eines Mannes; Sie haben ihn heute Morgen in unserer Halle gesehen.«
»Der Mann auf der Veranda des kleinen Holzhauses.«
»Ja. Ein Duplikat eines Hauses in Winfield. Dort wird John alles tun, um sich in das Lebensgefühl in Winfield, Vermont, im Jahre 1926 zu versetzen. Dann, wenn er und wir bereit sind, werden etwa zweihundert Schauspieler und Komparsen ungefähr zehn Tage lang – die längste Periode, die praktizierbar ist – die wiederhergestellten Straßen von Winfield betreten, mit den alten Wagen fahren und auf den Veranden sitzen, wenn es warm genug ist. Wir sagen ihnen, dass es mit experimenteller Filmtechnik zu tun hat; verborgene Kameras werden ihre spontanen, aber authentischen Aktionen aufnehmen. Unter den zweihundert, die alle mit John wirklich in Berührung kommen, werden etwa zwanzig vom Projekt sein. Wir hoffen, dass John dann innerlich bereit sein wird, in den kurzen zehn Tagen das Beste daraus zu machen.« Der alte Mann starrte, noch immer auf dem Zigarrenstummel kauend, auf die große Fotografie an der
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