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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Baumpfosten ersetzen. Alle Pfosten mussten mit dem Vorschlaghammer unmittelbar vor dem Start herausgehauen werden. Wie hatten wir jemals annehmen können, dass ich in der Lage sein könnte, alleine dieses Monster in Bewegung zu setzen? Ich kam mir wie ein dummes Kind vor.
    Geschlagen kauerte ich unter diesem großen Leib und ließ den Lichtschein meiner Lampe über die glatte Oberfläche dieser endlosen Stützträger gleiten, dann nach oben, über die Nietenreihen, die die Titanic bildeten. Das Ding hatte mich besiegt, dieses Monster war unberührbar. Frustriert und verärgert hob ich die Faust und wollte gegen den genieteten Stahl schlagen, aber selbst jetzt, trotz aller Enttäuschung, berührte ich ihn nur mit der Handfläche; der harte, kalte Stahl hätte meine Knöchel zerschmettert. Das Schiff hätte es nicht gekümmert, meine kleinen Schläge auf den kalten und taunassen Stahl wären nichts anderes gewesen als ein Streicheln von Granit.
    Ich knipste das Licht aus, blieb noch eine kleine Weile dort und kroch dann heraus. Den gleichen Weg, den ich gekommen war, wieder zurück zu meinem Hotel. Nichts, überhaupt nichts konnte getan werden, um etwas zu verhindern, von dem ich als Einziger auf der Welt wusste, dass es geschehen würde.
    Dennoch spürte ich auf dem Rückweg, dass ich noch nicht ganz fertig war. Irgendetwas musste es doch geben! Und da ich ein wenig Zeit übrig hatte, beschloss ich, durch Irland zu wandern.
    Immer schon hatte ich das tun wollen, hatte immer wieder mal daran gedacht und jetzt, zu Beginn des Jahrhunderts hatte ich die Möglichkeit dazu. Am nächsten Morgen kaufte ich alles, was ich brauchen würde: Wanderschuhe, Geschirr, Rucksack und Karten. Ich sprach mit Ladenbesitzern und den Leuten vom Hotel und bekam viele Ratschläge mit auf die Reise. Mein Gepäck schickte ich mit der Bahn voraus, und am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg.
    Ich möchte hier nicht die ganze Geschichte dieser langen und glücklichen Reise erzählen – ich sah, was Reisende in Irland immer sehen: Die Felder haben wirklich diesen Grünton, der sonst nirgends zu sehen ist. Ich ging über Feldwege, wich großen Schafherden aus, die Schäfer und ich legten grüßend den Finger an die Mütze. Hielt an Gehöften an, wo ich um Wasser bat, wurde von einem schüchternen und wirklich reizenden Ehepaar empfangen, deren Gesichter und Hände sehr schmutzig aussahen und vermutlich selten – jemals? – gewaschen wurden. Sie versorgten mich in der Küche, durch die Hühner liefen, ungebeten mit Wasser und Lebensmitteln. Wieder auf der Straße, suchte ich einige Zeit später eine Stelle, wo ich unbemerkt die Sandwichs wegwerfen und die Feldflasche entleeren konnte, war aber beschämt und aß und trank dann doch davon.
    Ich starrte über die weiten Felder auf die seltsamen Festungen aus längst vergangenen Jahrhunderten, die noch immer standen, deren Eingänge hoch über der Erde lagen – als Schutz vor Belagerungen durch die Wikinger? Ich war mir nicht sicher. Manchmal blieb ich eine Nacht, einige Tage oder eine Woche, je nach Laune, in einem Dorf oder einer Stadt, die mir gefielen. Ich wohnte im örtlichen Gasthof oder im Hotel, ließ meine Kleidung waschen, redete mit den Menschen, die gewöhnlich – durchaus nicht immer – freundlich waren. Zweimal kampierte ich auf einer Klippe hoch über dem Meer, einmal eine ganze Woche lang. Tagelang saß ich dort und betrachtete die Wellen tief unter mir auf dem steinigen Strand, wie sie ankamen und sich wieder zurückzogen.
    Meistens ließ ich meinen Gedanken freien Lauf, ohne jedoch das Problem, das auf mich wartete, aus den Augen zu verlieren. Einen ganzen Monat verbrachte ich in Dublin, erkundete es und verkehrte in den Pubs, die Joyce beschrieben hatte. War er in diesem Augenblick hier in Dublin? Ich konnte mich nicht erinnern, falls ich es überhaupt jemals gewusst hatte. Wenn, dann habe ich ihn nicht gesehen, oder falls doch, ihn nicht erkannt. Schließlich, an einem Spätnachmittag im darauffolgenden Frühjahr, nachdem ich die verbleibende Zeit auf angenehme Weise totgeschlagen hatte, betrat ich eine kleine Hafenstadt – eher ein Dorf – namens Queenstown, deren Häuser auf einer Reihe von Terrassen über der riesigen Bucht von Cork verstreut lagen. Am Rande einer breiten, unbefestigten Straße blickte ich auf die große Wasserfläche, die vor mir in der späten Sonne glitzerte; zwei kleine Schiffe lagen vor Anker, weit draußen am Hafeneingang ankerte ein

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