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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Schiffes erweckte der Ozean Gefühle in mir, die unbeschreiblich waren. Ich schwebte in ihm, gehörte ihm an. Es war faszinierend; hier sah ich den Horizont als Kreis, und wir befanden uns immer genau in seiner Mitte. Ich beobachtete das ferne Schimmern der Wellen, sah sie an uns vorbeirollen, und eine Gruppe Delphine aus dem Wasser auf- und wieder hineintauchen.
    Nichts zu tun – und dafür alle Zeit der Welt. Eine Stunde oder länger stand ich am Heck der Mauretania über die Reling gebeugt und betrachtete das Kielwasser. Es besaß dieselbe hypnotische Wirkung wie die Flammen in einem offenen Kamin. Die breite hellgrüne Straße, die wir hinter uns ließen, war so ganz anders als die grauschwarze See, die unberührt vor uns lag. Die riesigen Schiffschrauben, höher als ein kleines Haus, wühlten ohne Unterlass so mächtig in diesem grünen Wasser, dass ich niemals sehen konnte, wie sich die Wellen unseres Kielwassers wieder beruhigten. Die gerade Straße, die wir in die See gepflügt hatten, reichte weiter, als ich sehen konnte. Hin und wieder war eine kleine Abweichung nach links oder rechts zu erkennen, eine kleine Kurve in unserem Weg über den Ozean, welche selbst die minimalen Ruderbewegungen reflektierte, die das große Ruderblatt korrigierend vorgenommen hatte.
    Ich den unzähligen Mußestunden, die das Leben an Bord mit sich brachte, unterhielt ich mich mit den Menschen, die neben mir an der Reling in die Weite schauten. Oder im Liegestuhl neben mir saßen. Oder auf einem Barhocker. Und natürlich mit den Leuten an meinem Tisch im großen Speisesaal. Es gelang mir mühelos, mich in die Mauretania und ihre Annehmlichkeiten zu verlieben.
    Aber mit mir wie für jeden anderen auch ging nach dem Frühstück an unserem letzten Tag auf See eine Veränderung vor sich; das normale Leben holte uns ein. Wir redeten über Ankunftszeiten, Ziele und Pläne, und als die See rauer wurde, wir die Geschwindigkeit reduzieren mussten und uns gesagt wurde, dass wir in der folgenden Nacht mit Verspätung in Liverpool ankommen würden, brummten wir unzufrieden.
    Schließlich, wir lagen im Mersey vor den Docks von Liverpool vor Anker – der Fluss war für das Schiff nicht tief genug oder die Flut zu gering, ich habe niemals herausbekommen, was davon zutraf – standen die Passagiere nach Irland an der Reling und sahen den Scheidenden zu, die die Boote des Schiffes bestiegen.
    Viertel nach zehn Uhr, unser Gepäck war bereits ausgeladen und versorgt worden, wechselten wir durch eine Luke wenige Meter über dem Meer auf das Deck der T.S.S. Heroic über, einer schlanken, schönen Fähre mit einem Schornstein. Auf Anraten meines Schiffstewards von der Mauretania hatte ich eine Kabine gebucht; die Irische See würde rau sein, und in der Dunkelheit konnte man sowieso nichts sehen.
    Sie war rau. Ich schlief ziemlich schnell ein, wachte aber später oft wieder auf; das Schiff schaukelte hin und her und bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von achtzehn Knoten. Ich hörte die See; sie war laut und nah. In der Nacht kam jemand an der Kabine vorbei und sagte etwas, das sich wie ›Allaman‹ anhörte – ich begriff, dass wir die Isle of Man passierten; es kümmerte mich jedoch nicht weiter.
    Um etwa halb oder um sechs Uhr ging ich an Deck; die Bewegungen des Schiffes wurden nun ruhiger, denn wir waren im windgeschützten Belfast Lough, der Mündung des Flusses Lagan, wie mich ein irischer Passagier aufklärte. Kurze Zeit später erreichten wir Dunbar’s Dock; das Anlegemanöver dauerte eine Weile, und ich schaute mir an, was von Belfast zu sehen war: Hütten … ein Berg, der sich am Horizont über allem erhob, qualmende Kamine … ein Glockenturm … eine Stadt; eine richtige Stadt; vierhunderttausend Menschen lebten hier.
    Kutschen warteten am breiten Kai – ich nehme an, man nennt sie Kutschen; es waren von Ponys gezogene Gefährte, manche offen, manche geschlossen. Automobile waren nicht zu sehen. Für Gäste des Grand Central Hotel stand ein Omnibus bereit – er sah aus wie eine in die Länge gezogene Postkutsche mit vier Fenstern – zwei Pferde und ein uniformierter Gepäckträger erwarteten uns. Er lud mein Gepäck und das von zwei anderen Passagieren nach oben auf das Dach; eine davon war eine Frau in Trauer – in schwarzer Kleidung und schwarzem Schleier. Zehn Minuten brauchten wir zum Hotel an der Royal Street, dem besten in der Stadt, wie mir der Steward von der Mauretania gesagt hatte. Mir gefiel es auf Anhieb;

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