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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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in den Hof des Tempels ein, wo er sich, flankiert von seinen bewaffneten Anhängern unter den Sikariern, öffentlich zum Messias, dem König der Juden ausrief.
    In mancher Hinsicht ergab Manaims Vorgehen durchaus Sinn. Wenn das Reich Gottes tatsächlich gekommen war, wurde es schließlich Zeit, dass der Messias erschien, um es im Namen Gottes zu regieren. Und wer sollte die königlichen Gewänder anlegen und auf dem Thron sitzen, wenn nicht Manaim, Enkel des Galiläers Judas, Urenkel des Bandenführers Hiskia? Manaims Auftritt als Messias war in den Augen seiner Anhänger nur die Umsetzung der Prophezeiungen, der letzte Schritt bei der Herbeiführung der Letzten Tage.
    Der Tempelhauptmann Eleasar jedoch sah das ganz anders. Er und seine Verbündeten unter den einfachen Priestern waren wütend über das, was sie als einen unverfrorenen Griff der Sikarier nach der Macht betrachteten. Sie heckten einen Plan aus, um den selbst ernannten Messias umzubringen und die Stadt von seinen lästigen Anhängern zu befreien. Während Manaim noch in seinem Königsstaat im Tempel paradierte, stürmten Eleasars Männer plötzlich den Tempelberg und überwältigten seine Wachen. Sie zogen Manaim hinaus ins Freie und folterten ihn zu Tode. Die überlebenden Sikarier flohen sofort aus Jerusalem. Sie sammelten sich in ihrem Hauptquartier, der Festung Masada, wo sie bis Kriegsende ausharrten.
    Sieben Jahre warteten die Sikarier dort. Während die Römer sich neu formierten und zurückkehrten, um Palästina den Rebellen zu entwinden, während die Dörfer und Städte Judäas und Galiläas nach und nach dem Erdboden gleichgemacht und ihre Einwohner durch das Schwert gezähmt wurden, während Jerusalem selbst belagert und seine Einwohner langsam ausgehungert wurden, warteten die Sikarier in ihrer Bergfestung. Erst nachdem alle aufständischen Städte zerstört und das Land wieder unter Kontrolle gebracht war, wandten sich die Römer Masada zu.
    Das lange erwartete römische Regiment erschien schließlich 73  n. Chr., drei Jahre nach dem Fall von Jerusalem, am Fuße des Berges, auf dem Masada lag. Weil die Soldaten die Festung nicht direkt angreifen konnten, errichteten sie zunächst eine massive Mauer rund um den Fuß des Berges, um sicherzustellen, dass kein Rebell unentdeckt entkam. Nachdem das Terrain so gesichert war, bauten die Römer eine steile Rampe am gähnenden Abgrund auf der Westseite der Felswand, indem sie über Wochen Tausende Tonnen Sand und Steine aufschütteten, während die Rebellen sie von oben mit Steinen bewarfen. Dann schoben die Soldaten einen riesigen Belagerungsturm die Rampe hinauf, von dem aus sie die Rebellen tagein, tagaus mit Pfeilen und Wurfgeschossen bombardierten. Als Herodes’ Umfassungsmauer schließlich nachgab, stand nur noch eine eilig gebaute innere Mauer zwischen den Römern und den letzten jüdischen Rebellen. Die Römer setzten die Mauer in Brand, kehrten dann in ihre Lager zurück und warteten geduldig darauf, dass sie von selbst zusammenbrach.
    Die in Herodes’ Palast versammelten Sikarier wussten, dass dies das Ende war. Die Römer würden mit ihnen und ihren Familien das Gleiche tun wie mit den Bewohnern Jerusalems. Einer ihrer Anführer brach schließlich das bleierne Schweigen und sagte: «Meine Freunde, da wir uns schon lange entschlossen haben, nie den Römern oder jemand anderem als Gott selbst, der allein der wahre und gerechte Herr der Menschheit ist, untertan zu sein, ist jetzt die Zeit gekommen, diesen Entschluss durch die Tat zu bekräftigen.» Er zog seinen Dolch und sprach noch einen letzten Satz: «Gott hat uns die Gnade gewährt, tapfer zu sterben und als freie Menschen, was jenen [in Jerusalem], die unversehens überwältigt wurden, nicht vergönnt war.»
    Die Rede zeitigte die gewünschte Wirkung. Während die Römer noch ihren letzten Angriff auf Masada vorbereiteten, zogen die Rebellen Lose, um die Reihenfolge festzulegen, in der sie ihren grausigen Plan ausführen würden. Dann zückten sie ihre Dolche – eben jene Dolche, die ihnen den Namen gegeben hatten, jene Dolche, mit deren Schnitt durch die Kehle des Hohepriesters der unselige Krieg gegen Rom begonnen hatte – und begannen ihre Frauen und Kinder zu töten, bevor sie die Messer gegeneinander richteten. Die letzten zehn Männer wählten einen, der die anderen neun tötete. Dann setzte er den Palast in Brand. Und schließlich brachte auch er sich um.
    Am nächsten Tag standen die Römer triumphierend in der bisher

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