Zelot
tilgen, das sie als ihr eigenes beanspruchten. Und so sammelte Titus Ende April des Jahres 70 n. Chr., während der Tod in der Stadt umging und die Menschen zu Hunderten verhungerten und verdursteten, seine Legionen und nahm Jerusalem im Sturm.
Die Römer warfen Rampen an den Mauern der Oberstadt auf und begannen die Rebellen mit schwerer Artillerie zu beschießen. Sie bauten einen massiven Rammbock, der problemlos eine Bresche in die erste Mauer rund um Jerusalem schlug. Als sich die Aufständischen hinter eine zweite Mauer zurückzogen, wurde auch die durchbrochen und die Tore in Brand gesteckt. Sobald die Flammen verlöschten, lag die Stadt offen vor den Soldaten des Titus.
Die Soldaten gingen auf jeden los – Mann, Frau, Kind, Reicher, Armer, Aristokrat, Priester – egal, ob er sich der Rebellion angeschlossen hatte oder Rom treu geblieben war. Es machte keinen Unterschied mehr. Sie verbrannten alles. Die ganze Stadt stand in Flammen. Das Brüllen der Feuer mischte sich mit Todesschreien, als die Römer in der Ober- und Unterstadt ausschwärmten, den Boden mit Leichen bedeckten, durch ganze Ströme von Blut wateten, bei der Verfolgung der Rebellen buchstäblich über Leichenhaufen kletterten, bis schließlich der Tempel in Sicht kam. Die letzten rebellischen Kämpfer hatten sich in den inneren Hof geflüchtet. Jetzt steckten die Römer das ganze Tempelfundament in Brand, sodass es aussah, als koche das Blut am Fuß des Tempelbergs. Die Flammen hüllten das Allerheiligste ein, die Wohnstatt des Gottes Israels, und brachten es in einer Wolke aus Asche und Staub zum Einsturz. Als die Feuer endlich verlöschten, gab Titus den Befehl, alles, was von der Stadt noch übrig war, einzuebnen, sodass sich zukünftige Generationen nicht einmal mehr an den Namen Jerusalem erinnern würden.
Tausende starben, Simon bar Giora jedoch – der gescheiterte Messias – wurde lebend ergriffen, sodass er in Ketten zum Triumphzug, den Vespasian seinen Bürgern versprochen hatte, nach Rom gebracht werden konnte. Zusammen mit Simon wurden auch die heiligen Tempelschätze vorgeführt: der goldene Tisch und die Schaubrote, die dem Herrn dargebracht wurden, die siebenarmige Menora, die Rauchfässer, die Trompeten und heiligen Gefäße. All dies wurde in einem Triumphzug durch die Straßen Roms getragen, während Vespasian und Titus, mit Lorbeerkränzen auf dem Kopf und in purpurne Gewänder gehüllt, mit ebenso ruhiger wie entschlossener Miene zuschauten. Endlich war am Ende der Prozession, als letzte Kriegsbeute, eine Abschrift der Tora, des höchsten Symbols der jüdischen Religion, zu sehen.
Es war klar, was Vespasian damit sagen wollte: Dies war kein Sieg über ein Volk, sondern ein Sieg über den Gott dieses Volkes. Nicht Judäa, sondern das Judentum war vernichtet worden. Titus präsentierte die Zerstörung Jerusalems öffentlich als einen Akt der Frömmigkeit und ein den römischen Göttern dargebrachtes Opfer. Nicht er habe die Aufgabe erfüllt, behauptete der Kaisersohn. Er habe nur seinem Gott, der seine Wut auf den Gott der Juden gezeigt habe, die Waffen geliehen. Wohl deshalb verzichtete Vespasian auf die übliche Praxis der
evocatio,
durch die ein besiegter Feind die Möglichkeit bekam, seinen Gott in Rom anzubeten. Den Juden wurde nicht nur verboten, ihren Tempel wieder aufzubauen, was fast allen anderen unterworfenen Völkern im Reich zugestanden worden war; sie sollten darüber hinaus auch noch eine Steuer von zwei Drachmen im Jahr zahlen – genau die Summe, die jüdische Männer einst in Schekel an den Tempel in Jerusalem abführten –, um beim Wiederaufbau des Jupitertempels zu helfen, der während des römischen Bürgerkrieges niedergebrannt war. Alle Juden, egal, wo im Reich sie lebten, egal, wie treu sie zu Rom gestanden hatten, egal, ob sie an der Rebellion teilgenommen hatten oder nicht –, ausnahmslos alle Juden einschließlich Frauen und Kinder sahen sich jetzt gezwungen, zum Unterhalt des zentralen heidnischen Kultes in Rom beizutragen.
Fortan galt das Judentum nicht länger als akzeptierter Kult. Die Juden waren jetzt die Erzfeinde Roms. Massenumsiedlungen waren nie ein Mittel römischer Politik gewesen, jetzt aber vertrieb Rom alle überlebenden Juden aus Jerusalem und Umgebung, benannte die Stadt schließlich in Aelia Capitolina um und stellte die gesamte Region unter direkte kaiserliche Kontrolle. Ganz Palästina wurde Vespasians Privatbesitz, und die Römer bemühten sich, den Eindruck zu
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