Zelot
und Hinrichtung (Mt 16 , 21 ; 17 , 22 – 23 ; 20 , 18 – 19 ; Mk 8 , 31 ; 9 , 31 ; 10 , 33 ; Lk 9 , 22 ; 44 ; 18 , 32 – 33 ).
Nun könnte man einwenden, dass die Evangelisten, die ihre Texte Jahrzehnte nach den von ihnen geschilderten Ereignissen verfassten, ja wussten, dass die Geschichte Jesu an einem Kreuz auf Golgota enden würde, und deshalb Jesus diese Vorhersagen in den Mund legten, um seine Fähigkeiten als Prophet zu beweisen. Doch die schiere Menge von Aussagen Jesu über seine unvermeidliche Verhaftung und Kreuzigung deutet darauf hin, dass seine regelmäßigen Selbstprophezeiungen historisch sein könnten. Zudem brauchte es keinen Propheten, um vorherzusagen, was mit jemandem passierte, der sowohl die priesterliche Herrschaft über den Tempel als auch die römische Besatzung Palästinas in Frage stellte. Der Weg, der vor Jesus und den zwölf Jüngern lag, war bereits durch die vielen messianischen Aspiranten vor ihnen manifest geworden. Die Richtung war klar.
Das erklärt, warum sich Jesus solche Mühe gab, die Wahrheit über das Königreich Gottes vor allen außer seinen Jüngern zu verbergen. Er erkannte, dass die neue Weltordnung, die ihm vorschwebte, so radikal war, so gefährlich und revolutionär, dass die einzig denkbare Reaktion Roms darauf nur sein konnte, sie allesamt wegen Volksverhetzung festzunehmen und hinzurichten. Daher beschloss er, das Königreich Gottes durch abstruse und rätselhafte Parabeln zu verschleiern, die fast unmöglich zu verstehen waren. «Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut», sagt er zu seinen Jüngern; «denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt, denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen.» (Mk 4 , 11 – 12 )
Was also ist das Königreich Gottes in der Lehre Jesu? Es ist sowohl die fröhliche Hochzeitsfeier im Festsaal des Königs als auch die blutgetränkte Straße außerhalb der Schlossmauern. Es ist ein Schatz, der in einem Acker vergraben ist; verkauft alles, was ihr habt, und kauft diesen Acker (Mt 13 , 44 ). Es ist auch eine schöne Perle; opfert alles, was ihr habt, und kauft sie (Mt 13 , 45 ). Es ist ein Senfkorn – ein winziges Saatkorn – in der Erdkrume. Eines nahen Tages wird daraus ein majestätischer Baum erwachsen, in dessen Ästen die Vögel nisten werden (Mt 13 , 31 – 32 ). Es ist ein Netz, das aus dem Meer gezogen wird, voll mit guten und schlechten Fischen; die guten behält man, die schlechten wirft man weg (Mt 13 , 47 ). Es ist ein Feld, auf dem sowohl Unkraut als auch Weizen wächst. Wenn die Saat reif ist, wird der Weizen geerntet; das Unkraut jedoch wird gebündelt und verbrannt (Mt 13 , 24 – 30 ). Die Zeit der Ernte ist nahe. Dann wird Gottes Wille auf Erden geschehen wie im Himmel. Nehmt also die Hand vom Pflug und schaut nicht zurück, lasst die Toten die Toten begraben, lasst euren Mann und eure Frau zurück, eure Brüder und Schwestern und Kinder, und bereitet euch vor, das Reich Gottes zu empfangen. «Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt.» (Mt 3 , 10 )
Diese Verschleierungstaktik, um die wahre Bedeutung des Königreichs Gottes geheim zu halten, konnte Jesus freilich nicht vor Festnahme und Kreuzigung bewahren. Seine Versprechen, dass die geltende Ordnung umgestürzt werde, dass die Reichen und Mächtigen arm und schwach gemacht werden sollten, dass sich die zwölf Stämme Israels bald wieder zu einer einzigen Nation zusammenfinden würden und Gott erneut der alleinige Herrscher in Jerusalem werde – solche provokativen Aussagen dürften weder im Tempel, wo der Hohepriester herrschte, noch in der Burg Antonia, dem Zentrum der römischen Macht, mit Freuden aufgenommen worden sein. Bedurfte es für das Königreich Gottes – zumindest so, wie Jesus es darstellte – schließlich nicht eines richtigen, physischen Königs? Beanspruchte Jesus diesen Titel denn nicht für sich selbst? Jedem seiner zwölf Apostel versprach er einen Thron. Hatte er da nicht auch einen Thron für sich selbst im Sinn?
Zugegebenermaßen machte Jesus keine näheren Ausführungen über die neue Weltordnung, die ihm vorschwebte (was aber auch kein anderer Königsanwärter seiner Zeit tat). In Jesu Predigten über das Königreich Gottes finden sich keine praktischen Programme, keine detaillierten Agenden, keine spezifischen politischen oder ökonomischen Empfehlungen. Er scheint keinerlei Interesse daran gehabt zu haben,
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