Zeltplatz Drachenloch
Gine enttäuscht.
»Er ist unten im Garten«, sagte die Frauenstimme.
»Oh, danke .« Gine freute sich.
Die Schritte gingen wieder von der Tür weg, dann knallte eine andere Tür zu.
Gine ging in den Garten hinunter. Hinter einem Fliederstrauch saß Immerfroh auf einer Bank und las. Als er Gines Schritte hörte, blickte er auf. »Ja, wer kommt denn da ?« rief Immerfroh erfreut. »Das ist nett, daß du mich auch einmal besuchst .«
»Leider ist der Grund, warum ich komme, nicht erfreulich .«
»Ist am Ende wieder was mit Georg geschehen ?«
Gine machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn mit Georg etwas geschehen wäre, dann hätte ich ihn schon wieder herausgeholt, leider ist es viel was Ärgeres .«
»Noch etwas Ärgeres?« Immerfroh legte das Buch zur Seite.
»Ich meine, es ist wegen der Buben, vor allem wegen Max und Hans .« Gine unterbrach sich. »Sie dürfen aber nicht glauben, daß ich sie verpetzen möchte .«
»Nein, nein, das weiß ich schon«, beruhigte sie Immerfroh.
»Du kommst wahrscheinlich deswegen, weil sie plötzlich aufeinander böse sind .«
»Ja, gerade deswegen.«
»Komm, setz dich auch ein wenig auf die Bank, wir beide haben hier Platz genug. Stört es dich übrigens, wenn ich mir mein Pfeifchen anzünde ?«
Gine wurde rot, das hatte sie noch niemand gefragt.
»Oh, bitte, das stört mich gar nicht«, beeilte sie sich zu sagen.
Immerfroh stopfte seine Pfeife und zündete sie an.
»Du kommst also wegen dieser beiden Dickschädel ?«
»Ja, und ich meine, es hat natürlich nur dann einen Sinn, daß ich mit Ihnen spreche, wenn Sie noch immer ein Lager machen wollen .«
»Freilich will ich das. Ich weiß sogar schon den Lagerplatz. Es ist alles vorbereitet .«
»Wirklich?«
»Natürlich!« Immerfroh berichtete nun von den Briefen, die er geschrieben hatte und die wieder aus St. Georgen an ihn gekommen waren. Nur die Zelte fehlten noch und dann natürlich, daß sich die Buben wieder vertrugen. »Können Sie da gar nichts machen ?« fragte Gine. »Das ist ja eigentlich der Grund, warum ich gekommen bin. Von alleine werden diese Dickschädel ja nie vernünftig .« Immerfroh sagte: »Ich werde nachdenken, was ich machen kann .«
»Das wäre fein !« Jetzt hätte Gine sich eigentlich bedanken und gehen können. Sie blieb aber sitzen. Etwas mußte sie noch fragen. Immerfroh merkte, daß sie noch etwas auf dem Herzen hatte.
»Hast du mir noch etwas zu sagen ?« fragte er Gine. »Bitte«, sagte Gine froh. »Ich sehe ja ein, daß ich mit einem Haufen Buben nicht gut auf Lager gehen kann. Aber angenommen, meine Eltern würden nach St. Georgen auf Urlaub fahren, und angenommen, ich meine wirklich nur angenommen, ich würde öfters ins Lager kommen — und — ich könnte ja dort auch viel helfen. Ich könnte beim Kochen helfen und Geschirr waschen und Butterbrote bestreichen und Socken stopfen, ich würde das gerne tun. Ja, wenn ich also öfters käme, würden Sie mich wegschicken ?«
»Aber nein!« Immerfroh lachte. »Natürlich könntest du dann öfter ins Lager kommen und alles mit ansehen. Es werden ja andere Kinder auch hinkommen und sich die Zelte anschauen .«
»Das ist fein — und angenommen, Sie machen einen Ausflug, kann ich da auch einmal mit oder wenigstens die Lagerwache übernehmen? Ich denke, das heißt doch so? Und die Zelte kann man ja doch nicht einfach ganz allein im Wald stehenlassen, nicht ?«
»Natürlich nicht, Gine. Ein bißchen Freude wirst auch du vom Lager haben, glaub mir das .«
Gine lehnte sich zurück. »Jetzt ist mir leichter«, sagte sie. Sie blickte auf das Buch, das zwischen ihr und Immerfroh auf der Bank lag.
Es war das gleiche Buch, das Kam gerade las.
»Kennst du das Buch ?« fragte Immerfroh.
»Ja«, sagte Gine, dann schlug sie sich an die Stirn. »Ach, das hätte ich beinah vergessen. Ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, daß Tante Kam auf Besuch bei uns ist. Sie liest nämlich auch dieses Buch. Es lag heute früh auf dem Nachtkästchen neben ihrem Bett. Wahrscheinlich konnte sie in der Nacht nicht schlafen und hat gelesen .« Gine sah wieder auf das Buch. »Ich habe Kam schon viel von Ihnen erzählt«, sagte sie — und: »Kam ist außer Mutsch die netteste Frau, die ich kenne .« Dann stand sie auf und verabschiedete sich.
»Ich bringe dich bis zum Tor«, sagte Immerfroh; dort drückte er Gines Hand. »Gine«, sagte er, »ich glaube, auch du wirst einmal eine nette Frau werden .«
»Wie Mutsch ?«
»Genau so!«
Da drückte Gine
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