Zeltplatz Drachenloch
Vielleicht war das in der vergangenen Nacht doch nur ein aufgescheuchtes Reh gewesen oder ein herumstreunender Hund.
DAS VIERZEHNTE KAPITEL
beginnt mit einer kurzen Predigt.
Da sie Pfarrer Korntheuer hält, ist sie keineswegs langweilig und hat einen äußerst nahrhaften Ausgang.
Das erste Lagerfeuer wird eifrig besucht.
Nachts ist wieder etwas los...
Ehe Pfarrer Korntheuer nach der Messe wieder hinaus in die Sakristei ging, trat er an das Kommuniongitter, winkte dem Lehrer Gradwohl an der Orgel, er möge sein Spiel beenden, und schwieg eine Weile.
Die Bauern standen auf und warteten. Sie alle hatten fragende Gesichter.
Korntheuer räusperte sich und begann: »Ihr alle wißt von der wunderbaren Brotvermehrung. Ich habe euch oft davon erzählt. Ich selbst kann keine Wunder tun, deshalb müßt ihr mir helfen. Ihr wißt, daß ein paar Stadtbuben sich draußen im Wald ein eigenes, kleines Dorf gebaut haben. Ein Dorf haben sie wohl, aber keine Äcker, keine Kühe und keine Hühner .«
Korntheuer machte eine Pause und blickte über die Köpfe der Zuhörer hinweg zur Orgel oder auch vielleicht durch das Fenster hinter der Orgel zum Himmel.
»Ihr sollt ihnen also helfen. Es wird euch gar keine Mühe kosten. Mein Wagen ist schon angespannt, und ich werde mit ihm von Hof zu Hof fahren und einsammeln, was ihr den Buben geben wollt .«
Korntheuer fuhr durch das Dorf.
In einem Hof bekam er Eier und ein Stück Speck, im nächsten einen Sack Kartoffeln. Da gab es frische grüne Erbsen und Rüben, dort Geräuchertes und Mehl. Der Bäcker versprach, für Brot und Weißgebäck zu sorgen, und der Fleischer versicherte, daß die Wurst im Lager nicht ausgehen solle.
So kam Korntheuer mit einer großen Lebensmittelfuhre in das Lager.
»Ihr kommt mir nicht früher weg, bis ihr das alles aufgegessen habt«, rief er fröhlich und schnalzte mit der Peitsche.
Immerfroh konnte dem alten Mann nur die Hand drücken.
Unterdessen luden die Buben alles vom Wagen und ordneten die Schätze.
»Los, Brauner !« rief dann der Pfarrer seinem Pferd zu und ging neben ihm den Waldweg ins Dorf zurück.
Karl der Große blickte ihm nach. »Der ist richtig«, sagte er. »Hungern werden wir nicht müssen«, meinte Max und ließ ein Stück Würfelzucker zwischen den Zähnen zerkrachen .
Während des ganzen Nachmittags kamen Besuche ins Lager. Der Bürgermeister begrüßte Immerfroh und nannte ihn seine Konkurrenz. Bauern kamen und wunderten sich über die Freundlichkeit der Stadtbuben, die sie durch das Lager führten, ihnen die Zelte zeigten, den selbstgebauten Herd und die aufgestapelten Vorräte. Der Lehrer Gradwohl kam mit seiner Frau und der Stationsvorstand und der Postmeister von St. Georgen ebenso. Sie alle waren von den kleinen Zelthütten begeistert. Nur die Frauen wollten nicht glauben, daß man auf einem Herd, wie ihn Immerfroh gebaut hatte, auch wirklich kochen konnte.
Und dann war es endlich soweit. Die Sonne war untergegangen, und die ersten Sterne standen schon blaß über der Lagerwiese. Mit Decken über den Schultern kam einer nach dem anderen aus den Zelten und hockte sich auf den noch warmen Fels um den Reisighaufen.
Die Kinder aus dem Dorf waren natürlich auch dabei. Mit ihnen waren Gradwohl und der Pfarrer gekommen.
Als der Mond über den Berg kam und es so dunkel war, daß man seinen Schatten erkennen konnte, stand Immerfroh auf, zündete sich einen Span an und schob ihn in das aufgeschichtete dürre Holz. Es dauerte nicht lange, so stieg die Flamme höher und höher und warf flackernde Lichter über die gespannten Gesichter der Buben, die im Kreis um das Feuer hockten.
Immerfroh zupfte auf seiner Laute, führte den Zeigefinger zum Mund und nickte mit dem Kopf. Seine Buben verstanden ihn. Leise sangen sie das Lied, das sie im Garten der Witwe Grimm gesungen hatten, und sie sangen es so innig, als würden sie wieder für die alte Frau singen:
»Der Mond ist aufgegangen,
die gold’nen Sternlein prangen...«
»Schön«, sagte der Pfarrer, als es wieder still war, »wirklich schön! Die Buben singen ja fast wie die Engel .«
Und dann folgten die alten Späße, die es an jedem Lagerfeuer gibt.
Zum Abschluß sangen die Schüler Gradwohls, und sie sangen nicht schlechter als die anderen. Am Ende jeder Strophe jodelten sie, und das hätten die Stadtbuben nicht fertiggebracht.
So verging das erste Lagerfeuer. Immerfroh, der Holz Stück um Stück in die Flammen geworfen hatte, legte nun nichts mehr nach.
Schweigend sahen
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