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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Auftrag hinter sich gebracht hatte. Er hatte nie versagt und wollte nicht als der Assassine bekannt werden, der sein letztes Opfer laufen
ließ. Selbst dann nicht, wenn es außer Stolan von Meerenburg nie jemand erfahren würde.
    Der Ausweg, sich abzusetzen und zu fliehen, kam Sothorn nicht ernsthaft in den Sinn. Tagelang durch das Land reisen oder sich in einer Höhle verkriechen, nur um darunter zu leiden, dass
sein Körper nach dem Lotus schrie, bis er den Verstand verlor ... Sich im Zustand der geistigen Umnachtung das Leben nehmen ...
    Nein. Seine Abhängigkeit war so tief, dass er die Schmerzen mehr fürchtete als den Tod.
    „Lauf!“, schrie Sothorn und schlug dem Pferd die Zügel an den Hals.
    Der Rappe machte einen Satz nach vorn und stob in vollem Galopp über den abschüssigen Pfad. Schlamm spritzte auf, als der nasse Erdboden von den Hufen aufgewühlt wurde. Auf einer
nahen Weide sahen zwei vom Winter dürre Kühe genügsam auf und maßen Sothorn mit ihren Blicken, als er Balfere hinter sich ließ.
    Die schwache Sonne kletterte in den Zenit, während er dem Verlauf der Küste in Richtung Süden folgte. Rechts von ihm erstreckten sich die scharfen Zähne der aus dem Meer
ragenden Klippen. An ihnen brachen sich die grauen Wogen, die vom Wind gegen die Steilhänge getrieben wurden. Wie der Atem eines Giganten traf die Gischt auf den Stein und rieb geduldig
winzige Bissen aus seinem geäderten Leib.
    Reisenden begegnete Sothorn kaum. Die wenigen, die ihm entgegen kamen, wichen ihm aus. Zu gnadenlos trieb er sein Pferd an, zu groß war die Gefahr, dass jemand bei einem Zusammenstoß
den Halt auf dem engen Pass verlor und ins Wasser stürzte.
    Landeinwärts schmiegten sich grüne Hügel um die Kuppe eines längst erloschenen Vulkans. Gewaltige Schafherden stapften durch das junge Gras und zupften Kräuter.
    An einer Kreuzung, die durch einen windschiefen Wegweiser gekennzeichnet wurde, bog Sothorn nach Osten ab und näherte sich nach wenigen hundert Schritten einem elend aussehenden Nadelwald.
Gedrungene Kiefern klammerten sich im schroffen Gefälle fest. Mit der Weite der Küste ließ Sothorn das Geschrei der Seemöwen hinter sich, nur um ihre schrillen Laute gegen den
scharfen Jagdruf eines Raubvogels einzutauschen.
    Anfangs kümmerte er sich nicht um den regelmäßigen Aufschrei des Vogels. Gefangen in seinen Gedanken, betäubt vom Zenjanischen Lotus und sich darüber wundernd, dass er
selbst mit der Endlichkeit seines Daseins dicht vor Augen kaum Angst empfand, folgte Sothorn dem steilen Waldweg. Der verbliebene Rest seiner Konzentration beschäftigte sich damit, den Rappen
sicheren Fußes über den Hang zu geleiten. Mehr als einmal vertrat sich das Tier und drohte, in die Knie zu gehen. Lockeres Geröll, eine zu starke Steigung und der feuchte Boden
machten ihnen das Leben schwer.
    „Vielleicht ist das die beste Lösung“, murrte Sothorn vor sich hin; den Klang seiner eigenen Stimme genießend. „Wir stürzen den Abhang hinab, und ich breche mir
das Genick.“
    Entschuldigend klopfte er den Hals des Rappen. Über die Jahre waren seine Reitpferde die einzigen Lebewesen gewesen, die ihm treu und ohne Bedacht auf den eigenen Vorteil zur Seite
gestanden hatten. Sothorn waren viele Rösser verloren gegangen, verwundet worden oder bei einer halsbrecherischen Flucht schwer gestürzt, sodass er ihnen die Kehle durchschneiden musste,
um sie von ihrem Leid zu erlösen. Wenigstens der Rappe sollte unbeschadet nach Hause traben, falls er den Tod fand.
    Er hätte sich von Danai verabschieden sollen, fiel ihm ein.
    Doch die Vorstellung, in ihrem runden Gesicht das Verstehen aufleuchten zu sehen, behagte ihm nicht. Sie hatte stets gewusst, dass ihre Bekanntschaft von kurzer Dauer sein würde, und hatte
mehr von ihm gehabt, als anfangs zu erwarten gewesen war.
    Viel mehr Zeit und doch zu wenig.
    Freundschaft. Wenn er je so etwas wie Freundschaft kennengelernt hatte, dann bei ihr. Aber letztendlich drang nie genug Zuneigung durch den Nebel des Lotus, um eine echte menschliche Bindung
zuzulassen.
    Sothorn ahnte, dass er in dieser Beziehung einiges versäumt hatte.
    Erneut drang der Schrei des Raubvogels an sein Ohr und brachte ihn dazu, den Rappen auf ein halbwegs ebenes Stück Erde zu dirigieren und zu zügeln. Suchend schirmte Sothorn die Augen
ab und sah hinauf zum Himmel, der sich zwischen den verwachsenen Kiefern deutlich abzeichnete.
    Es dauerte nicht lange, bis der dunkle Schatten in sein

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