Zentauren-Fahrt
Vorgänger, der verschwunden ist. Es sieht danach aus, als hätte ihn das einfache Volk geschätzt und es bedauert, ihn zu verlieren.«
»König war der?« fragte Dor. »Ich dachte, er sei minderjährig gewesen, so daß Oary die Regentschaft übernahm und Omen niemals König geworden ist?«
»Offenbar war er wohl doch König, und zwar etwa ein Jahr lang, bevor er plötzlich verschwand«, sagte der Zentaur. »Sie nannten ihn den guten Omen und glauben noch heute, daß das Königreich Onesti unter seiner Herrschaft gediehen wäre.«
»Das wäre es bestimmt.« Dor begriff, daß König Oary ein Interesse daran haben mußte, die Vorzüge König Omens herabzuwürdigen, um seine eigene Stellung zu sichern. Wenn das Königreich Onesti jetzt gut funktionierte, konnte dies durchaus zum überwiegenden Teil König Omens Verdienst gewesen sein. »Ein Handelsabkommen mit Xanth könnte beiden Königreichen Nutzen bringen. Vielleicht hat König Omen das in die Wege leiten wollen und wurde abgesetzt, bevor König Trent hier eintraf. König Oarys Gier hat ihn dieser Möglichkeit beraubt.«
»Die Bauern argwöhnen, daß König Omen beiseite geschafft wurde«, fuhr der Zentaur fort. »Manche glauben noch heute, daß er immer noch am Leben ist und von König Oary eingesperrt wurde, damit dieser die Macht an sich reißen konnte. Das kann natürlich reines Wunschdenken sein…«
»… könnte aber auch der Wahrheit entsprechen«, unterbrach ihn Irene. »Wenn König Oary uns getäuscht und eingesperrt und dasselbe mit meinen Eltern getan hat, warum sollte er da mit König Omen nicht ähnlich verfahren sein? Es paßt jedenfalls gut ins Bild.«
»Wir erlauben uns hier eine Menge Spekulationen«, warnte Arnolde. »Das könnte uns noch einige Enttäuschungen bescheren. Doch wenn ich den Faden einmal fortspinnen darf: Mir erscheint es einleuchtend, daß König Trent und König Omen, sofern sie beide Oarys Anschläge überlebt haben sollten, gemeinsam gefangengehalten werden dürften. Wir haben bereits festgestellt, daß der Kerker von Burg Onesti nicht sonderlich groß ist. Wenn es eine weitere Burg gibt, und wir dort den einen Gefangenen ausfindig machen…«
»… dann haben wir auch sofort die anderen!« beendete Irene seinen Gedankengang. »Und wenn wir sie beide retten, wird der gute Omen wieder König von Onesti, und alles ist wieder in Ordnung. Ich hätte gute Lust, diesen widerlichen König Oary beiseite zu schaffen!«
»Das war die Extrapolation meiner Hypothese«, stimmte Arnolde ihr zu. »Aber ich muß es aufs neue betonen: All dies ist in hohem Maße spekulativ.«
»Aber einen Versuch wert«, meinte Dor. »Dann wollen wir jetzt unsere Taktik planen. Wahrscheinlich weiß nur König Oary genau, wo König Trent und/ oder König Omen gefangengehalten werden, und der wird es wohl kaum verraten. Ich könnte zwar die Steine der Burg ausfragen, aber die Könige befinden sich wahrscheinlich überhaupt nicht hier, und über andere Gefängnisse werden die Steine auch nichts wissen. Wenn nicht einmal die Bauern am Ort davon wissen, dann weiß es wahrscheinlich niemand sonst. Also stellt sich die Frage, wie wir ihn dazu bringen, es uns zu verraten?«
»Er müßte eigentlich ein schlechtes Gewissen haben«, meinte Irene. »Vielleicht könnten wir das ausnutzen.«
»Darauf möchte ich mich lieber nicht verlassen«, widersprach Dor ihr. »Ich bin mal in einem anderen Abenteuer bösen Leuten und Wesen begegnet, und ich glaube kaum, daß denen ihr schlechtes Gewissen viel zu schaffen gemacht hat, denn sie waren überhaupt nicht der Meinung, etwas Böses getan zu haben. Kobolde und Harpyien…«
»Natürlich haben die kein Gewissen«, knurrte Irene. »Aber Oary ist ein Mensch.«
»Die Menschen können sogar die schlimmsten sein, besonders die Mundanier«, sagte Dor. »Viele von ihnen haben Xanth im Laufe der Jahrhunderte geplündert und gebrandschatzt, und König Oary könnte etwas Ähnliches im Schilde führen. Ich habe einfach kein großes Vertrauen darin, an sein Gewissen zu appellieren.«
»Ich verstehe Euren Einwand«, meldete sich Arnolde zu Wort. »Aber ich glaube, ›appellieren‹ ist nicht das richtige Wort in diesem Zusammenhang. Ein schlechtes Gewissen manifestiert sich typischerweise viel eher in der Wahrnehmung nächtlicher Erscheinungen…«
»Hier, so weit ab von Xanth, laufen aber nicht besonders viele Erscheinungen herum«, wandte Grundy ein.
»Wir könnten ihn so erschrecken, daß er sein Geheimnis preisgibt!«
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