Zentauren-Fahrt
des Ogers war ausgezeichnet.
Abwartend blieben sie neben dem wachsenden Farn stehen. Kurz darauf erblickten sie drei Soldaten Onestis, die mit flackernden Fackeln durch den Wald kamen. Das Feuer warf zwischen den Bäumen monströse Schatten. Sie hielten nach allen Seiten Ausschau nach ihrer Beute.
Da erblickten die Soldaten Dors Gruppe. Sie blieben stehen und starrten sie an, gerade noch im Wirkungsfeld des magischen Durchgangs. »Großvater!« schrie einer von ihnen entsetzt und starrte dabei Krach an.
Der Oger wußte, was zu tun war. Er brüllte los und machte eine drohende Gebärde mit seiner Bratpfannenfaust. Der Soldat ließ die Fackel fahren und stürzte entsetzt davon.
Ein weiterer Soldat musterte Irene. »Du lebst ja!« keuchte er. »Dann hat dich das Fieber doch noch verschont!«
Irene schüttelte traurig den Kopf. »Nein, Freund, ich bin gestorben.«
»Aber ich kann dich doch sehen!« rief der Mann gleichzeitig voller Qual und Hoffnung. »Ich kann dich sogar hören. Jetzt können wir endlich heiraten…«
»Ich bin tot, Geliebter«, widersprach sie mit dumpfer Festigkeit. »Ich bin nur zurückgekehrt, um dich davor zu warnen, den falschen König zu unterstützen.«
»Aber du hast dich doch nie für Politik interessiert«, wandte der Soldat verwirrt ein. »Du hast nicht einmal meinen Beruf sonderlich geschätzt…«
»Das tue ich auch immer noch nicht«, sagte Irene. »Aber wenigstens hast du damals für den guten König Omen gearbeitet. Der Tod hat mir Zeit zum Nachdenken beschert. Jetzt arbeitest du für den Verräter. Ich werde niemals mehr Respekt für dich hegen können, nicht einmal im Grab, wenn du dem bösen König dienst, der den guten König Omen in den Tod schicken will.«
»Ich werde König Oary sofort entsagen!« schrie der Soldat eifrig. »Ich kann ihn sowieso nicht leiden. Ich dachte, König Omen wäre tot.«
»Er lebt«, sagte Irene. »Er befindet sich im Kerker von Burg Ocna.«
»Das werde ich allen erzählen! Aber du mußt zu mir zurückkehren.«
»Das kann ich nicht, Geliebter«, antwortete sie. »Ich bin nur für diesen einen Augenblick auferstanden, nur um dir sagen zu können, warum ich nicht in Frieden ruhen kann. Ich bin tot; König Omen lebt. Geh und hilf den Lebenden.« Sie schritt hinter den Zentauren und verschwand damit aus dem Gesichtsfeld des Soldaten.
»Sehr schön«, flüsterte Arnolde.
»Ich komme mir ziemlich schmutzig vor«, murmelte sie.
Der dritte Mann richtete seinen Blick auf Grundy. »Mein kleiner Sohn – von den Khazaren zurückgekehrt!« rief er. »Ich wußte doch, daß sie dich nicht lange festhalten würden!«
Der Golem hatte inzwischen begriffen, worum es ging: Der Auferstehungsfarn ließ die Erinnerungen seiner Betrachter wieder wach werden. »Nur mein Geist ist entkommen«, sagte er. »Ich mußte dich warnen. Die Khazaren kommen! Sie werden Onesti belagern, die Männer umbringen, die Frauen vergewaltigen und die Kinder in die Gefangenschaft entführen, wie sie es auch mit mir getan haben. Warne den König! Sammelt alle Truppen in der Burg! Versperrt die Zugangswege! Laßt es nicht zu, daß noch weitere Familien auseinandergerissen werden. Laßt mein Opfer nicht umsonst gewesen sein! Kämpft bis zum letzten…«
Dor stieß den Golem mit dem Fuß an. »Übertreib’s nicht«, murmelte er. »Mundanier sind zwar unwissend, aber dumm sind sie deswegen noch lange nicht.«
»Gehen wir«, flüsterte Irene. »Das dürfte sie eine Weile aufhalten.«
Vorsichtig machten sie sich davon. Die beiden Soldaten blieben beim Farn stehen, in Gedanken versunken. Bevor er um die nächste Kurve schritt, warf Dor einen Blick zurück – und sah eine riesige hübsche Spinne von der Art, die lieber umherjagen, als Netze zu spinnen. Das Muster auf ihrem Körper glich einem grünlichen Gesicht, und sie besaß acht Augen von unterschiedlicher Größe.
»Hüpfer!« rief er – und riß sich wieder zusammen. Hüpfer war schon vor Jahren an Altersschwäche gestorben. Er war Dors engster Freund gewesen, als sie beide scheinbar die gleiche Größe gehabt und im historischen Wandteppich von Schloß Roogna manches Abenteuer erlebt hatten, doch sie lebten in getrennten Welten. Die Nachkommen der Spinne lebten weiterhin im Wandteppich, und Dor konnte sich mit ihnen unterhalten, wenn er für einen Dolmetscher sorgte, doch es war nicht dasselbe wie früher. Sie wirkten eher wie Hochstapler, die die Stelle seines wunderbaren Freundes einnehmen wollten. Jetzt sah er Hüpfer
Weitere Kostenlose Bücher