Zerfleischt - Der ultimative Thriller
konnte.
»Louis? Louis? Hörst du?«
»Ich bin da.«
»Willst du mir sagen, dass dieser Polizist wirklich die Leiche des Jungen getreten hat … und darauf herumgetrampelt ist?«
»Ja, genau das sagte ich.«
»Das ist gruselig. Das ist echt gruselig.«
»Klar. Und ausgerechnet im verdammten Greenlawn.«
»Du meldest das lieber«, sagte Michelle. »Ruf jetzt in der Polizeistation an oder geh hin und sag denen, was diese Penner gemacht haben. Großer Gott! Das ist furchtbar.« Sie atmete sehr schnell am anderen Ende. »Louis? Geht es dir gut?«
»Ja, ich bin okay.«
»Nein, bist du nicht.«
»Hey, mir geht’s wirklich gut.« Er hielt inne und betrachtete den Whiskey in dem Glas. »Ich wünschte, du könntest heimkommen. Ich weiß, es klingt blöd, aber ich würde mich einfach besser fühlen, wenn das möglich wäre.«
»Ich komme, sobald ich kann. Ich muss hier erst noch einige Dinge erledigen. Gib mir eine Stunde, vielleicht eineinhalb.«
Das war nicht wirklich gut, aber das sagte er ihr nicht. Jede Minute, in der sie nicht bei ihm war, vergrößerte sich das Loch in seinen Eingeweiden. Aber wie konnte er ihr irgendwas davon ehrlich erklären? Wie konnte er ihr zu verstehen geben, sie fühlen lassen, was er fühlte?
»Okay«, sagte er. »Komm heim, sobald du kannst.«
»Louis … bist du sicher, dass du okay bist? Du klingst nicht gut.«
»Ich bin okay.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»In Ordnung. Ich komm nach Hause, sobald ich kann.«
»Okay. Ich bin …« Er verstummte.
»Was? Was ist denn?«
Louis war sich selbst nicht sicher. Er hörte das Knarzen der Stufen auf der Veranda. Es musste nicht wirklich etwas bedeuten. Konnte eines der Kinder sein, das die Zeitung austrug, oder der Postbote. Doch bei allem, was er erlebt hatte und was Michelle ihm erzählt hatte, erwartete er etwas Schlimmes.
»Da … da ist jemand auf der Veranda.« Er flüsterte es beinahe.
»Louis … du machst mir Angst. Okay? Hör jetzt damit auf.«
»Beeil dich, Schatz! Bitte beeil dich und komm nach Hause …«
Beeil dich …
9
Louis brach die Verbindung ab und steckte das Handy zurück in die Tasche.
Er stellte seinen Drink ab und fragte sich, was er als Waffe benutzen könnte, falls er eine brauchte. Er war weder Jäger noch Hobbyschütze, deshalb besaß er keine Schusswaffen. Seine Angelrute und Spule brachten nichts. In der Küche lagen natürlich Messer. Er ging zum Schrank neben der Eingangstür und holte einen Schläger aus seiner Golftasche. Draußen knarzte die Stufe erneut. Er spitzte durch den Spion im ovalen Türfenster.
Nur der Postbote.
Der alte Lem Karnigan.
Louis seufzte. Was zur Hölle stimmte nicht mit ihm? Warum blähte er das alles zu etwas Größerem auf, als es war, zu irgendeiner verrückten Verschwörung?
Lem sah ihn aus einem Augenwinkel heraus und winkte abwesend.
Louis zog die Tür auf.
Lem war fast 70, aber er war nicht in Rente gegangen und davon war auch keine Rede. Man würde ihn wahrscheinlich dazu zwingen müssen. Lems Frau war im Winter vor zwei Jahren gestorben und seine Kinder waren alle weggezogen. Er hatte vermutlich nichts außer seinem Job. Und das war traurig, wenn man darüber nachdachte.
Er stand auf der unteren Stufe und sortierte Briefe und Flugblätter. Der Postsack, der über seine Schulter geschnallt war, sah unwahrscheinlich sperrig und schwer aus. Beinahe zu viel für einen dürren, alten Kerl wie ihn.
»Eines Tages, Louis«, sagte er ohne hochzuschauen, »haue ich ab. Ich gehe mit den restlichen alten Käuzen runter nach Florida. Ich habe Ronny Riggs letzte Woche getroffen, ist gerade aus Miami Beach gekommen. Weißt du, was er gesagt hat? Er behauptet, dass es da unten Strände gibt, an denen die Mädchen alle oben ohne liegen. Wie findest du das?, hat er gefragt. Nun Ronny, hab ich geantwortet, das finde ich gut.«
Lem kicherte vor sich hin, schaute auf und sein Lachen verstummte. Er sah Louis’ zerzaustes Aussehen, die verkrusteten Blutspuren auf seinem Hemd.
»Du lieber Himmel, Louis! Was zur Hölle ist passiert? Hast du dich geprügelt?«
Louis schüttelte den Kopf. »Irgendein Junge hatte einen Unfall … Ich musste helfen. Es war eine richtige Sauerei.«
Lem stand weiter auf der unteren Stufe und starrte ihn an.
Und während Louis ihn beobachtete, sah es fast so aus, als ob sich ein Schatten über Lems Gesicht legte. Er zitterte, sein Mund verzog sich grimmig. Es sah aus, als ob etwas, etwas Wichtiges gerade von ihm abgefallen wäre. Und zwar
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