Zero Day
verbotene Substanz zu sehen bekommen, die es gab.
Er hatte das Verteilungssystem für Eric Treadwells bescheidenes Meth-Labor gefunden. Die Mitglieder des Xanadu-Clubs packten das Zeug in die Motorradtaschen und fuhren es an die Kunden aus. In einem verarmten Landstrich, wo die Menschen die Realität vergessen wollten, weil es so schlecht um sie stand, fielen sie Drogenhändlern nur allzu leicht zum Opfer.
Treadwell und Bitner hatten sich also als Kleinhändler in Sachen Drogen betätigt. Aber darum hatte man sie nicht umgebracht, davon war Puller überzeugt. Er musste Cole informieren; dem Ziel jedoch, die Terroristen aufzuhalten, war er jetzt um keinen Deut näher.
Als Nächstes durchsuchte er die Spinde an der linken Wandseite. Sie enthielten nichts Verdächtiges. Überwiegend waren sie mit persönlichen Habseligkeiten der Harley-Fans vollgestopft. Die Spinde auf der rechten Seite erwiesen sich als abgeschlossen. Puller knackte ein Schloss, fand in dem Spind aber nichts Verwertbares. Er knackte zwei weitere Spinde mit dem gleichen Ergebnis: nichts. Mit den restlichen Spinden vergeudete er keine Zeit mehr.
Puller schaute auf die Armbanduhr. Er war so früh erschienen, um auf die Gefahr vorbereitet zu sein, dass Dickie ein falsches Spiel mit ihm trieb. Nun sah er, dass er noch ein bisschen Zeit totschlagen musste. Er beschloss, das Gebäude gründlicher abzusuchen.
Links war eine weitere Räumlichkeit. Puller ging langsam hinein, denn die Schatten bewirkten eine wahre Höhlenfinsternis, weil es keine Fenster gab. Der Raum war leer. Puller verließ ihn, wobei er ständig auf Geräusche achtete, ob jemand sich anschlich.
Vorsichtig stieg er die Treppe hinauf. Im Obergeschoss hatte man eine Küche eingerichtet, die offenbar der Club benutzte. Puller kramte in mehreren Schränken, fand aber nichts außer Dosensuppe und Schachteln mit Frühstücksflocken.
An die Küche grenzte noch ein Zimmer. Puller öffnete die Tür und lugte hinein; der Lichtkegel der Stablampe zerteilte die Dunkelheit. Hier musste einst, überlegte Puller, das Büro des Brandmeisters gewesen sein. Ein alter Schreibtisch, alte Aktenschränke, Regale, ein paar vergammelte Stühle. Puller schaute in die Aktenschränke, doch sie waren, genau wie die Regale, völlig leer. Puller setzte sich an den Schreibtisch und zog nacheinander die Schubladen heraus. Er wurde nicht fündig, bis er die Hand in einer Schublade bis ganz hinten schob, weil sein Licht irgendetwas erfasst hatte.
Puller betrachtete das vergilbte Papier, das aus dem Jahr 1964 stammte, wie die Datumsangabe erkennen ließ. Über dem Text stand als Überschrift FIA. Die Bedeutung dieser Abkürzung kannte er nicht. Er las den Wortlaut des Dokuments. Es befasste sich mit den Verhaltensmaßregeln im Fall eines Brandausbruchs in einer Fabrik. Im Text stand nicht, was die Fabrik produzierte. Möglicherweise bezog sich das Dokument auf die Informationen, die Mason ihm mitgeteilt hatte: auf die Anlage zur Herstellung von Bauteilen für Atombomben.
Unvermittelt sah Puller, dass jemand etwas neben dem Text auf den Rand geschrieben hatte. Die Tinte war verblasst, aber er konnte es erkennen.
Die Zahlen 92 und 94.
Er steckte das Blatt in die Tasche und stand auf.
Als er das kleine Bürozimmer verließ, hörte er das Geräusch. Ein Motorrad näherte sich ziemlich schnell mit ratterndem Motor. Rasch trat Puller zu einer Reihe von Fenstern, durch die man aus dem Obergeschoss Ausblick auf den Vorplatz der Feuerwache hatte.
Es musste Dickie sein. Puller richtete den Lichtstrahl auf die Armbanduhr. Der Zeitpunkt stimmte.
Er sah, wie das Scheinwerferlicht des Motorrads die abendliche Düsternis durchdrang. Das Motorrad tuckerte auf den rissigen Betonvorplatz des Gebäudes. Jetzt erkannte Puller die Umrisse des Fahrers deutlicher. Breite Schultern. Stämmiger Oberkörper. Eindeutig Dickie.
Als der Schuss knallte, zuckte Puller zusammen und duckte sich unwillkürlich. Vor seinen Augen traf das Projektil den Motorradfahrer in den Kopf, durchschlug Schutzhelm, Schädel und Gehirn und barst auf der anderen Seite heraus. Die Harley bekam einen Rechtsdrall, als die Fäuste des Fahrers sich von der Lenkstange lösten. Der Mann fiel nach links und stürzte auf den Beton. Einmal zuckte er noch, dann lag er still. Das Motorrad rollte weiter, bis es gegen die Außenwand der Feuerwache prallte und mit noch laufendem Motor auf die Seite kippte.
Aber das hatte Puller schon nicht mehr gesehen. Er war augenblicklich
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