Zero Gravity

Kit fand, dass sie perfekt zu dem herben Gesicht passte.
    »Es gibt nur einen einzigen Weg, die Ameisen zu vermeiden«, schmunzelte sie. »Du darfst dich nicht umbringen lassen.«
    Gekränkt starrte die Gardeurin sie an; ihre Augen waren klein und von einem so hellen Grau, dass die Iris beinahe im umgebenden Weiß aufging.
    »Das war auch nicht meine Absicht, aber leider habe ich im ganz großen Stil gepatzt. - Du bist doch nicht sauer, dass ich mich in dein Training eingeklinkt habe …« Die hellen Augen verengten sich, als sie auf den Schriftzug auf Kits Trainingsjacke starrte.»… Lacroze?« »Kit«, korrigierte Kit.
    »Kit. Also, ich halte ja nicht viel von virtuellem Kampftraining, aber Major Sibanyoni hat darauf bestanden. Er meinte, ich könnte eine Menge von dir lernen.« Ihr war deutlich anzusehen, dass ihr die Niederlage missfiel. »Ich fürchte, er hatte Recht.«
    Sie sprang auf den gefliesten Boden und langte nach dem Handtuch, das sie neben ihrem Trainingsgestell abgelegt hatte. »Wie du mir den Ellbogen in den Hals gerammt hast - das musst du mir bei Gelegenheit einmal zeigen.« Kit versuchte, sich ihre Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Dass ausgerechnet der als gnaden- und humorlos bekannte Anführer der Stationsgardeure ihr Loblied singen sollte, überraschte sie - sie war schließlich nicht nur Beta-Humanoide, sondern auch Justifier, und Sibanyoni hatte grundsätzlich etwas gegen die auf Utini stationierten Justifiers-Teams. Seiner Meinung nach bestanden sie nur aus »dreckigem Pack«.
    »Na ja«, sagte sie also, um die Situation ein wenig zu entspannen. »Der Alte übertreibt. Falls das dein erstes VC-Training war, hast du dich gar nicht schlecht geschlagen, äh…«
    »Sergeant Isabella Ekaterina Yardley, 11B2O00, 31. Luftlandebataillon, gestern transferiert von der Quetzalcoatl.«
    Die Gardeurin reckte das quadratische Kinn. »Nenn mich Poison, wenn du willst - das ist mein taktischer Name.«
    »Aha«, meinte Kit gedehnt, die taktische Namen für eine Erfindung der Unterhaltungsindustrie gehalten hatte. »Na denn, willkommen auf der schönsten Raumstation der Galaxis, Poison.«
    »Ich hoffe, ich bin auch willkommen - obwohl ich besser war als ihr beide zusammen«, sagte eine heitere Stimme irgendwo hinter ihnen.
    Beide Frauen drehten sich gleichzeitig nach dem Besitzer der Stimme um, der aus einem der angrenzenden Räume hereinlugte; wie Poison trug auch er Gardeur-Unterwäsche, wie Poison war er muskulös, aber im Gegensatz zu der Blonden war er alles andere als blass, trug ein schickes Bärtchen und überragte sie um gut eineinhalb Köpfe.
    Grinsend langte der Gardeur nach einem Zipfel des feuchten Handtuchs, das über seiner Schulter hing, wischte Schweißperlen aus dem schwarzen Haarstreifen auf seinem Kopf und zwinkerte Kit zu. Er hatte dunkle, leicht schräg geschnittene und sehr nette Augen. Kit grinste zurück.
    »Dann hast du mir das Messer ins Genick gestoßen? Nicht übel für einen Gardeur, Herr…« »Chick.«
    »Ist das eher Chick wie >Mädel< oder Chick wie >Hühnchen    »Chick wie Corporal Red Crow«, schnappte Poison in barschem Ton, der Corporal Red Crow eine dunkle Braue heben ließ und Kit erst recht zum Grinsen brachte.
    »Oh, Entschuldigung.« Die Beta-Humanoide hob scheinheilig die Achseln, ihr Schwanz zuckte hin und her. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten, Corporal.«
    »Chick.« Er streckte eine Hand aus, die sie ergriff und kräftig schüttelte; obwohl Kits Hand viel kleiner war als die des Mannes, war ihr Händedruck nicht minder fest. »Eine Plüschi mit so schönen goldenen Augen kann mir überhaupt nicht zu nahetreten.«
    Nun war es an Kit, die Brauen zu heben. Als Kreatur auf Bestellung hatte sie sich schon allerhand mehr oder weniger schmeichelhafte Bezeichnungen anhören müssen, aber »Plüschi« war neu. Und als sie sah, wie Poison missbilligend die blassen Kiefer aufeinanderpresste, da wusste sie, dass die Gardeurin niemals ihre beste Freundin werden würde. Was Chick anging…
    Kits Augenaufschlag war perfekt einstudiert und tausendfach erprobt; wenn die Fächer ihrer Wimpern langsam und bedächtig die goldgesprenkelten Augen enthüllten, wirkte das fast immer. Zumindest auf Wesen, die Betas nicht von vornherein ablehnten.
    »Ich bin Kit. Kristina Lacroze: Beta-Humanoide, Justifier in Spinovas Team, derzeit ohne aktive Mission. Um trotzdem fit zu bleiben, trainiere ich hier mit meinem Partner.« »Partner? Hoffentlich nichts Ernstes?«

    »Nicht