Zero Gravity
ist er ein - ein Monster!«
»Sagt die Chimäre aus dem Natus-Tank«, spöttelte Poison.
»Ja, sagt die Chimäre aus dem Natus-Tank! Ich habe verdammt nochmal Angst vor diesem stinkenden Haufen aus Blech, Zahnrädern, Kabeln und vergammelndem Fleisch. Mir wird schlecht, wenn ich ihn ansehen muss. Ich kann nichts dafür - ich ertrage das Ding einfach nicht! Warum können wir es nicht einfach totschießen?« Chick zuckte mit den Achseln.
»Plüschi, die Wahrheit ist, dass ich mich einfach sicherer fühle, solange Schäfer bei uns ist, und ich wette, dem Sarge geht es nicht anders. Okay?«
Im ersten Moment verstand Kit nicht, was es war, das plötzlich an ihrer Rüstung schabte oder weswegen sich Poison mit einem Mal wortlos umdrehte und den Raum verließ - dann ging ihr auf, dass Chick gerade einen gepanzerten Arm um ihre Taille gelegt hatte.
Verblüfft starrte sie den Gardeur an.
»Was soll das denn jetzt? Hattest du vor ein paar Tagen nicht noch gute Gründe gegen das Fraternisieren?« »Na ja, ich dachte mir gerade, dass wir vermutlich alle sterben werden, wenn du etwas gegen Schäfer unternimmst - und bevor ich sterbe, wollte ich noch schnell das tun, was ich schon im El Zotz hätte tun sollen, wenn ich nicht so in Sorge um meinen guten Ruf gewesen wäre.« Chick grinste breit, und Kits Augen wurden immer größer. Da war es wieder, das Kribbeln in ihren Eingeweiden.
Sollte das die Gelegenheit sein, auf die sie ganze zehn Tage lang gewartet hatte? Mitten im Einsatz?
»Und ich hätte sicherlich noch viel mehr getan, wenn der Sarge sich nicht so sehr darum bemüht hätte, uns den Abend zu versauen«, fuhr er fort. »Wenn du noch magst, holen wir das nach.«
Kits Schnauze entknitterte sich, als sie die Augen bewusst dramatisch niederschlug und den Gardeur verstohlen durch den Vorhang ihrer Wimpern betrachtete.
Er ist ja schon ziemlich süß. Zugegeben, die Frisur ist Mist, aber der Rest… »Jetzt?«
»Wieso nicht jetzt?«
Verdammter Mist, Kit, das passt jetzt überhaupt nicht! Lass dich nicht einwickeln, rief ihr die andere, vernünftigere Kit zu, die die Stimme ihres ehemaligen Ausbilders hatte und an manchen Tagen aus ihrem Versteck unter dem Hypothalamus hervorkam, um ihr Ratschläge zu geben. Konzentriere dich auf die Gefahr, auf den Blechmann, auf deinen Verdacht und auf eine Methode, um an Corrigans verdammte Prototypen zu kommen…! Und diese Ratschläge ignorierte Kit grundsätzlich, wenn ihr etwas Aufregenderes in die Quere kam. So wie jetzt.
»Okay«, meinte sie also leichthin, klinkte den linken Panzer- und Druckhandschuh aus und blickte auf die Zeitanzeige ihres JUST.
»Was meinst du, reichen zwei Minuten aus, oder bestehst du auf dem vollen Programm?«
System: DEF-563-UI
Planet DEF IV (United Industries)
Utini Raumstation, Verwaltungs-Wohntrakte
Den langen Weg zu Gantts Wohnung hätte das Ul-Sec-Trio sicherlich im Laufschritt zurückgelegt, wenn Ayline Gantt und ihre kurzen Beine nicht gewesen wären, aber keiner der Sicherheitsleute hatte sich darüber beschwert, dass sie sich ihrem Tempo anpassen mussten. Still schritten sie nebeneinander her, drei bewaffnete und gepanzerte Figuren mit verspiegelten Visieren und eine kleine Frau in einem viel zu langen Kittel, der ihr wie eine Schleppe folgte.
Ob die anderen einander anschwiegen, weil sie erschöpft waren, wusste Gantt nicht - vielleicht kommunizierten sie ja auch über Helmfunk miteinander -, aber sie genoss die relative Stille und nutzte sie zum Nachdenken. Als sie an dem immer noch durch Secbots abgeriegelten Canopus Joe’s Diner vorbeikamen, musste sie automatisch wieder an Struk denken. Und an Neo.
Sie schüttelte leicht den Kopf, während sie an einem der braun lackierten Kerberosse vorbeitrottete. Den sich über Statussymbole definierenden Neu-Archivar der Datenmanipulation zu verdächtigen, war idiotisch von ihr gewesen.
Natürlich wollte Ayline Gantt nicht abstreiten, dass Nomura dazu imstande war, ungeliebten Kollegen in die Suppe zu spucken: Wer es aus eigener Kraft bis ins mittlere Management geschafft hatte, musste über angespitzte Ellbogen und einen Tresor verfügen, in dem man sein Gewissen sicher wegschließen konnte. Ihr nachdenklicher Blick streifte >ihren< Sicherheitstrupp. Sie gingen davon aus, dass die Sabotage der [Talos]-Daten auf das Konto der gleichen Person oder Organisation ging wie der Anschlag auf Canopusjoe’s. Und den hätte sie Nomura niemals zugetraut. Eine so blutige, unzivilisierte Aktion
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