Zero Option: Thriller
in Wirklichkeit nicht ausstehen konnten. Die Oligarchen hassten die Macht der Politiker, während diese wiederum den Reichtum der Oligarchen hassten, und beide hassten sie die Popularität der Prominenten, die ihrerseits die Politiker und die Oligarchen hassten, weil sie keine Prominenten waren. Nur Kasakov war anders. Er war der Einzige, der alle anderen gleichermaßen hasste.
Er schüttete Champagner in sich hinein und stand alleine in der Gegend herum. Das Einzige, was ihn beschäftigte, war die Frage, wann das nächste Tablett mit Häppchen bei ihm vorbeikommen würde. Obwohl er sich so abweisend wie nur möglich gab, wollten alle möglichen Leute etwas von ihm, und er musste sich kolossal zusammenreißen, um nicht jede Menge Aufwärtshaken und Schwinger zu verteilen. Normalerweise war er durchaus imstande, geschmeidig von hier nach da zu schlendern, freundliche Gespräche zu führen und ab und zu einen zweideutigen Witz einzuflechten. Solche Partys waren ihm zwar genauso verhasst wie die widerlichen Figuren, die dort anzutreffen waren, aber er musste sich dort sehen lassen, musste all die Bekanntschaften, Kontakte und Freundschaften am Laufen halten, die notwendig waren, damit er ein freier Mann blieb. Russland lieferte zwar niemals einen russischen Staatsangehörigen aus, aber er musste jederzeit darauf gefasst sein, dass irgendein Politiker sich plötzlich gegen ihn wandte, vielleicht, weil er sein Geschäft übernehmen oder sich bei der internationalen Staatengemeinschaft einschleimen wollte, oder einfach nur – so unwahrscheinlich es sich auch anhören mochte – aus moralischer Integrität. Aber solange der Ukrainer die Moskauer Aristokratie hinter sich wusste, konnte er ruhig schlafen. Heute Abend jedoch brachte Kasakov es nicht fertig, sein Partygesicht aufzusetzen. Er konnte an nichts anderes denken als an Illarion, Ariff und daran, dass er sich unbedingt rächen musste.
Der einzige Partygast, für den er überhaupt Zeit gehabt hätte, befand sich am anderen Ende des Saals und lauschte den Worten irgendeines gut aussehenden russischen Schauspielers. Izolda war nicht alleine. Ungefähr ein Dutzend Ehefrauen waren ebenso fasziniert wie sie, während ein Dutzend Ehemänner ebenso wie er bemüht waren, sich ihre Eifersucht nicht anmerken zu lassen. Der Unterschied zwischen Izolda und den anderen Frauen lag darin, dass der gut aussehende Schauspieler offensichtlich genauso viel Gefallen an ihr fand wie sie an ihm. Das war nicht verwunderlich. Kasakovs Frau sah einfach hinreißend aus, wie immer. Groß, schlank und anmutig war sie und überstrahlte jede andere Frau im Saal. Ihre rückenfreie Abendrobe brachte das Kunststück fertig, unverschämt sexy und elegant zugleich zu wirken. Einige der anderen, weniger stilvollen Frauen stellten mit Dekolletés, die fast bis zum Nabel reichten, ihre aufgepumpten Brüste zur Schau und konnten mit ihren bis zum Äußersten gedehnten und zu Stein erstarrten Gesichtern weder die Nase rümpfen noch lächeln. Izolda hatte die schwarzen Haare hochgebunden – so, wie Kasakov es gernhatte – und brachte dadurch ihren ohnehin beneidenswerten Hals noch besser zur Geltung. Die Diamant-Ohrringe, die ihr Mann ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, hüpften und glitzerten, während sie lachte.
Der Schauspieler machte noch eine witzige Bemerkung. Angesichts der Heiterkeit, die er damit im Hexenzirkel der Ehefrauen auslöste, schien er wohl eine Art Komiker zu sein. Kasakov hatte ihn schon in etlichen russischen Filmen gesehen. Offensichtlich konnte der Mann besser Witze erzählen als schauspielern. Er beugte sich dicht zu Izolda, flüsterte ihr etwas ins Ohr, und Izolda lächelte ein breites, sorgloses Lächeln, aus dem endlich einmal jeder Schmerz gewichen war, der Schmerz, den sie so gut vor allen anderen verbergen konnte, wenn auch nicht vor ihm. Sie waren jetzt etwas mehr als fünfzehn Jahre miteinander verheiratet, und obwohl Izolda bereits Ende dreißig war, war sie immer noch kinderlos. Die Gewissheit, dass er die Schuld an ihrem Unglück trug, brachte Kasakov beinahe um.
Izolda lachte erneut und legte eine Hand auf den Arm des Schauspielers. Er war höchstens dreißig und zweifellos genauso fruchtbar wie gut aussehend. Kasakov stellte sich vor, dass Izolda genau in diesem Augenblick davon träumte, mit dem Schauspieler zu schlafen. Und aus dem Blick zu schließen, mit dem dieser sie betrachtete, dachte er genau das Gleiche. Kasakov hätte es ihr nicht übel nehmen können.
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