Zero Option: Thriller
setzte nach, stieß selbst ein paarmal die Führhand in Kasakovs Deckung, allerdings ohne rechte Überzeugung. Er wollte immer nur die schweren Treffer setzen, doch Kasakov besaß nicht nur die besseren Jabs, sondern auch die bessere Beinarbeit und verhinderte so, dass der Russe einen festen Stand für seine harten Schläge bekam. Aber er stellte sehr gut den Ring zu, bewegte sich seitwärts und drängte Kasakov dadurch immer dichter an die Seile, wo dieser unter gar keinen Umständen enden wollte. Er wich nicht mehr weiter zurück, sondern ließ seinen Jabs ein paar Gerade und Haken folgen, ohne jedoch die konventionelle Deckung des Russen ernsthaft in Bedrängnis zu bringen.
Kasakov war es nicht gewohnt nachzugeben, weder im Ring noch außerhalb, und so blieb er stehen, teilte aus und steckte ein. Das Adrenalin flutete seine Blutbahnen. Ein paar seiner Handlanger in der Ringecke riefen irgendwelche Anweisungen, doch der Waffenhändler hörte gar nicht hin. Beim Boxen hörte er auf niemanden.
Seinem ehemaligen Amateurtrainer hatte er zugehört, aber der war schon lange tot, und Kasakov hatte nie das Bedürfnis gehabt, sich einen Ersatz zu besorgen. Er boxte seit seinem sechsten Lebensjahr, und mit seinen vierzig Jahren Ringerfahrung gab es kaum etwas, was er nicht ohnehin schon wusste. Er hatte eine lange und erfolgreiche Amateurkarriere hinter sich, hatte regionale und sogar nationale Titel gewonnen, aber die Olympischen Spiele durch eine Ellbogenverletzung während der Ausscheidungskämpfe leider verpasst.
Mit der Einberufung in die Sowjetarmee und seinem Einsatz in Afghanistan hatte seine Amateurboxerkarriere allerdings ein jähes Ende gefunden. Man hatte ihn für den Bereich Logistik eingeteilt, und als die Sowjets schließlich den Rückzug antraten, hatte er es bis zum Major gebracht. Als das Reich auseinanderfiel, befand sich Kasakov in der idealen Position, um die übrig gebliebenen Waffenbestände, für deren Transport und Lagerung er zuständig gewesen war, an sich zu bringen und zu verkaufen. Der Markt für leichte Waffen war damals bereits zu stark gewesen, um mit den Großen ernsthaft konkurrieren zu können, doch beim schweren Gerät witterte Kasakov seine Chance. Die ersten Kunden waren seine alten Feinde aus Afghanistan. Er verkaufte ihnen mit großem Erfolg T-55- und T-62-Panzer der Roten Armee. Als die Taliban das Land übernahmen, belieferte er seine alten Kunden, die mittlerweile zur Nord-Allianz geworden waren, weiter. Aber Kasakov war ein Mann, der gute Gelegenheiten beim Schopf packte, und so kam er auch mit den Taliban ins Geschäft. Ihnen lieferte er Panzerabwehrraketen, um anschließend der Nord-Allianz Mörser zum Kampf gegen die Panzerabwehr-Einheiten zu beschaffen. Sobald eine Partei die Oberhand zu gewinnen schien, hielt er Nachschublieferungen zurück und senkte die Preise für die anderen, nur um den Konflikt in die Länge zu ziehen und seine florierenden Geschäfte am Leben zu erhalten.
Bald schon expandierte er auch nach Afrika und flog mithilfe von Flugzeugen der stillgelegten sowjetischen Luftwaffe Waffen in Staaten, die einem Embargo der Vereinten Nationen unterlagen. Es dauerte nicht lange, da belieferte er auch Kunden in Asien und Südamerika. So langsam wurde die internationale Staatengemeinschaft auf ihn aufmerksam. Um nicht irgendwann ausgeschaltet zu werden, zog er sich aus dem aktiven Teil des Waffenschiebergeschäfts zurück und überließ das große Risiko den anderen. Er sorgte dafür, dass sein Name nirgendwo mehr auftauchte, weder in irgendwelchen Akten noch in Computerdateien. Er wusste gar nicht, wie viele Firmen er genau besaß, aber es mussten wohl an die hundert sein, registriert in einem Dutzend unterschiedlicher Staaten. Sobald irgendeine Behörde Wind davon bekam, womit sich eine dieser Firmen beschäftigte, machte Kasakov sie dicht und verschob ihre Aktivitäten zu einer anderen Firma in einem anderen Land. Das Netz der Besitzverhältnisse war so kompliziert, dass selbst Kasakov seine liebe Mühe hatte, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
Am Tag, als in New York die Twin Towers fielen, war er klug genug, sämtliche Verbindungen zu den Taliban und allen, die irgendetwas mit islamischen Terroristen zu tun hatten, abzubrechen, aber da war es schon zu spät. Die internationalen Stimmen, die seine Festnahme forderten, wurden immer lauter, ungeachtet seiner Präventivmaßnahmen. Kasakov war sich des wachsenden Drucks sehr wohl bewusst und verlegte seinen
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