Zero Option: Thriller
nur schlecht: »Du wissen, wo hier … äh … Baustelle in der Nähe, in der …« Er ließ die Stimme ausklingen, als könnte er den Straßennamen nicht richtig aussprechen.
»Kirova? Nemiga?«, sagte sie langsam, hilfsbereit und lächelnd.
»Kirova«, erwiderte er ebenfalls lächelnd.
Sie ließ ihn am östlichen Ende der Straße aussteigen, und er ging nach Westen. Nach wenigen Minuten war ihm klar, dass sie ihn falsch verstanden beziehungsweise er sich nicht klar genug ausgedrückt hatte. Hier fanden Straßenbauarbeiten statt. Es sah aus, als würde eine Wasserleitung repariert. Er nahm sich noch ein Taxi.
»Nemiga«, sagte er zu dem Fahrer.
Als sie in die Straße einbogen, sah Victor in der Mitte des Straßenzugs ein eingerüstetes Haus. Er ließ den Fahrer anhalten. Die Nemiga befand sich in einer heruntergekommenen Wohngegend, einen knappen Kilometer vom Oktoberplatz entfernt. Schmale, pastellfarbene Stadthäuser säumten die Straße. Victor ging auf das Haus mit dem Gerüst zu. Er hörte Baulärm – Rufen, Klopfen sowie das Dröhnen und Jaulen kräftiger Maschinen. Auf dem Bürgersteig stand ein Zementmischer.
Der Saab konnte zu beiden Seiten des Zementmischers gestanden haben, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind den Zementstaub auf die Windschutzscheibe geblasen hatte. Nicht, dass ihm die Stelle, wo der Wagen geparkt hatte, wirklich weitergeholfen hätte. Sie hatten mit Sicherheit die erstbeste freie Parklücke genommen. Auf jeder Straßenseite standen rund zwanzig Häuser, vierzig insgesamt, also neununddreißig potenzielle Unterkünfte, wenn man das Haus mit den Bauarbeiten abzog. Er konnte also an jede einzelne Tür klopfen und alle Häuser, wo jemand zu Hause war, von der Liste streichen, aber selbst dann blieben womöglich fünfundzwanzig oder noch mehr Möglichkeiten übrig. Es gab einen sehr viel einfacheren Weg, die Auswahl einzugrenzen.
Er schaute hinauf zum wolkenverhangenen Himmel. Es war ein trüber Nachmittag. Victor ging den Bürgersteig entlang bis zu dem einzigen Haus, an dem sämtliche Vorhänge zugezogen waren.
Die Haustür besaß ein gutes Bolzenschloss, aber Victor wusste schon seit fünfzehn Jahren, wie man Schlösser knackte. Er machte die Tür hinter sich zu und steckte das Einbruchswerkzeug wieder ein. Dann stand er im Flur und lauschte. Es gab keine Alarmanlage, aber damit hatte Victor auch nicht gerechnet. Das Überwachungsteam hatte bestimmt kein Interesse daran gehabt, dass die Polizei im Fall eines Einbruchs hier aufkreuzte und Fragen stellte, die kein Mensch beantworten wollte. Früher, als Victor noch ein eigenes Haus gehabt hatte, hatte er es genauso gehandhabt.
Er wusste nicht, ob es sich um ein sicheres Haus handelte, das dem Auftraggeber der vier gehörte, oder ob es nur für diesen einen Auftrag angemietet worden war. Es war dunkel. In dem schmalen Flur lag ein durchgetretener Teppich, Farbe blätterte von den Wänden ab. Die Deckenlampe besaß keinen Schirm. Eine Treppe führte in den ersten Stock, rechts befand sich eine Tür. Geradeaus führte der Flur in eine Küche. Er machte zuerst die Tür auf und fand sich in einem kleinen Wohnzimmer mit einem Zweier-Sofa, einem Sessel und einem Fernseher wieder. Ansonsten gab es kaum Anzeichen dafür, dass hier irgendjemand wohnte. In einer Ecke stand ein Feldbett und daneben ein aufgeklappter kleiner Koffer. Das Bett war zerwühlt. In dem Koffer lagen Kleidung und Toilettenartikel, sonst nichts. Eine Seitentasche stand offen, war aber leer.
Victor ging in die Küche. Der Kühlschrank war zu einem Viertel gefüllt – Milch, Käse, Wurstaufschnitt, ein bisschen Gemüse und Orangensaft. Die Schränke waren leer bis auf einen, der etwas Brot und ein paar Konservendosen enthielt. Plastikmesser, Gabeln und Löffel lagen lose in einer Schublade. Von der Küche ging es direkt ins Badezimmer, wo sich etliche feuchte Handtücher auf dem Handtuchhalter drängten.
Im ersten Stock gab es zwei Schlafzimmer. Das erste war klein, mit einem Einzelbett an der einen und einem weiteren Feldbett an der anderen Wand. Beide Betten waren benutzt. Das machte schon drei. Dann hatte die Suite im Europe nur zur Überwachung gedient. Die Team-Mitglieder waren von hier aus hin- und hergefahren, hatten sich wahrscheinlich in Schichten eingeteilt. So waren die zusätzlichen Kilometer zustande gekommen. Victor durchsuchte die Koffer neben den beiden Betten. Genau wie der erste enthielten sie lediglich Kleidung und Toilettenartikel, aber
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