Zero Option: Thriller
neunzig Prozent meines Jobs aus.«
Fisher stank nach Bourbon und machte, abgesehen von seiner lauten Stimme, einen relativ harmlosen Eindruck. Manche Leute hören sich eben gerne reden.
»Hab gerade einen Riesen-Deal mit den Roten an Land gezogen«, erklärte er und fügte dann hinzu: »Darf man das eigentlich immer noch sagen?«
»Das ist ähnlich wie mit den Teebeuteln.«
Er ließ ein dröhnendes Lachen hören. »Ja, na gut, tut mir leid. Schlechte Angewohnheit.«
»Ist schon in Ordnung.«
»Ich mache Übernahmen und Fusionen«, erklärte Fisher. »Und Sie?«
»Ich bin Berater.«
»Welcher Bereich?« Fisher schnippte mit den Fingern, noch bevor Victor antworten konnte. »Nein, sagen Sie’s nicht.« Er biss sich auf die Unterlippe und fuhr den gestreckten Zeigefinger aus. »Personalmanagement.«
»Sieht man mir das so deutlich an?«
Fisher klatschte in die Hände, erfreut und stolz. Das laute Geräusch brachte ihnen etliche Blicke von anderen Fahrgästen ein. »Schon als Sie reingekommen sind, dachte ich: Das ist der Mann, der heuert und feuert.«
»Überwiegend feuert.«
»Klingt ja lebensgefährlich.«
Victor hob eine Augenbraue. »Sie haben ja keine Ahnung.«
Drei Minuten nach der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit hatte der Zug sich immer noch nicht von der Stelle gerührt. Keine Ansage war erklungen. Victor schätzte Pünktlichkeit, umso mehr, wenn er Feinde in der Stadt hatte. Er stand auf, um aus dem Fenster zu schauen. Fisher beobachtete ihn. Victor konnte keine Ursache für die Verzögerung erkennen. Also kein Grund, sich Gedanken zu machen. Wahrscheinlich.
»Na gut, jedenfalls …«, sagte Fisher, »… auf dem Weg hierher …«
Victor setzte sich stumm auf seinen Platz, während Fisher ihm erzählte, was er angeblich Lustiges auf dem Weg von seinem Hotel zum Bahnhof erlebt hatte. Er war angeheitert und redselig, und durch den kleinen Wortwechsel am Anfang hatte Victor seinem neuen besten Freund die Erlaubnis erteilt, während der ganzen Fahrt auf ihn einzureden. Bei anderer Gelegenheit hätte es Victor vielleicht sogar Spaß gemacht, Peter, den Personalberater, zu mimen, rein zum Zeitvertreib, aber Fisher war schon zu betrunken. Er redete viel zu laut und zog damit zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Gut möglich, dass etliche der Fahrgäste, die auf Fisher aufmerksam wurden, sich auch denjenigen merkten, mit dem Fisher sich so lautstark unterhielt. Victor musste ihn irgendwie zum Schweigen bringen.
Als der Zug sich nach weiteren vier Minuten immer noch nicht in Bewegung gesetzt hatte, wurden auch ein paar andere Fahrgäste unruhig. Viele schauten zum Fenster hinaus und murmelten ärgerliche Worte vor sich hin. Eine Kellnerin schob einen kleinen Rollwagen durch den Mittelgang und bot Getränke an. Victor bestellte sich ein Mineralwasser, Fisher einen Bourbon.
»Mit oder ohne Kohlensäure?«, wandte sie sich an Victor.
»Mit, bitte.«
Sie ging sämtliche Flaschen auf ihrem Wagen durch, dann wandte sie sich wieder an Victor. Ihre Stirn lag in Falten.
»Es tut mir leid, aber ich glaube, ich habe heute nur stilles Wasser dabei.« Ihr Bedauern wirkte nicht gespielt.
»Das macht nichts, dann nehme ich eben das.«
»Sind Sie sicher? Ich kann Ihnen auch schnell eine andere Flasche besorgen.«
»Lieber nicht«, meinte Victor. »Wenn Sie den anderen Fahrgästen nicht bald etwas Alkoholisches servieren, dann kommen Sie womöglich nicht mehr lebend zurück.«
Sie servierte Fisher seinen Bourbon und lächelte dabei. Es war ein einladendes Lächeln mit feucht glänzenden, rosaroten Lippen. »Ich glaube, ich werd’s überleben. Bin gleich wieder da.«
Sobald sie außer Hörweite war, ließ Fisher seine flache Hand auf die Tischplatte knallen. Erneut blickten die Umsitzenden auf. »Sie gottverdammter Glückspilz, Sie. Da geht doch was.«
»Kann schon sein«, erwiderte Victor.
»Kann schon sein?« Fisher riss die Augen auf. »Wieso denn bloß ›Kann schon sein‹, zum Teufel noch mal?«
»Sie ist nicht mein Typ«, sagte Victor, ohne ihn direkt anzuschauen.
Walt Fisher starrte ihn verblüfft an. Er schnaufte: »Nicht Ihr Typ? Was ist denn mit Ihnen los, mein Junge?«
Victor wandte sich zu Fisher und hielt seinem Blick stand. Dann beugte er sich über den Tisch, etwas zu nahe an Fisher heran, und sagte: »Ich bin schwul.«
Fishers blutunterlaufene Augen weiteten sich schlagartig. Hastig wandte er den Blick ab, nahm die Hände vom Tisch und legte sie in den Schoß. Dann starrte er regungslos zum
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