Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zero Unit

Zero Unit

Titel: Zero Unit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Dorothea; Bruhns Kallfass
Vom Netzwerk:
gewesen, als sie Gregg für den Übeltäter gehalten hatte. So hatte sie all ihre negativen Gefühle auf ihn richten können. Aber jetzt schwoll die Wut in ihr an wie ein eitriges Geschwür, das jeden Moment aufzubrechen drohte.
    »Wir werden ihn schnappen«, sagte Gregg und führte ihre Hand an seine Lippen. »Ich schwöre dir, Gina, wir werden den Scheißkerl erwischen.«
    »Das reicht mir nicht«, sagte sie mit einem Hass, der aus ihrem Innersten kam. »Ich will ihn tot sehen.«
    »Das wird sich einrichten lassen«, sagte er gelassen.
    Und sie wusste, dass er dafür sorgen würde.
    Es jagte ihr trotz ihres Abscheus einen Schauer über den Rücken. »Ich weiß nicht, wie du das aushältst«, sagte sie. »Tag für Tag, jahraus, jahrein in diese schrecklichen Dinge verwickelt und so brutalen Menschen ausgesetzt zu sein.«
    Er küsste noch einmal ihre Hand, dann ließ er sie fallen und wandte sich wieder der Straße zu. »Irgendjemand muss es tun.«
    »Aber warum ausgerechnet du? Warum willst du derjenige sein?«
    Er stieß einen langen Seufzer aus. »Das willst du gar nicht wissen.«
    Da irrte er sich. Sie wollte einfach alles über ihn wissen. Was ihn antrieb. Warum er so geworden und weshalb er für sie so anziehend war wie kein Mann je zuvor, obwohl er war, wie er war.
    »Irgendetwas ist dir zugestoßen«, sagte sie und beobachtete, wie sich ein düsterer Schatten über sein gut aussehendes Gesicht legte. »Vielleicht, als du noch klein warst … « Ihr kam wieder in den Sinn, wie er prophezeit hatte, man würde ihn in irgendeinem Gefängnis im Ausland verrotten lassen. »Oder hast du in einem schrecklichen Gefängnis gesessen?«
    »Gina, lass gut sein.«
    »Nein«, beharrte sie. »Du wolltest doch, dass ich dir vertraue. Dann solltest du mir auch vertrauen.« Sein Mund formte eine schmale Linie, aber er sagte immer noch nichts. »Ich will dich doch nur verstehen können, Gregg.«
    Er rutschte in seinem Sitz hin und her, streckte die Arme aus und legte dann beide Hände fest um das Lenkrad. »Da gibt es nichts zu verstehen«, sagte er, doch ein tief sitzender Zorn ließ seine Stimme rauer werden. »Ich bin verkorkst, weil meine Mutter mich im Schrank versteckt hat, während mein Vater sie verprügelte. Als ich ihr einmal zu Hilfe kommen wollte, hat er mich krankenhausreif geschlagen. Als ich fünf war, ist sie gestorben, und wir sind umgezogen. Dad hat eine neue Frau gefunden, dann noch eine. Ich habe versucht, sie beide zu warnen.« Er zuckte mit den Achseln, aber der Gleichmut täuschte. »Irgendwann bin ich abgehauen.«
    Himmel. »Wie alt warst du da?«
    »Zehn.«
    »Mein Gott, wer hat sich um dich gekümmert? Hattest du Verwandte?«
    Er schaute sie kurz an, dann blickte er wieder nach vorn auf die Straße. »Ich bin ganz gut zurechtgekommen«, sagte er, lockerte die Finger am Lenkrad und streckte sie aus. »Ein paar Jahre später habe ich einen Job als Landarbeiter in Indiana bekommen. Mein Chef war ein Vietnamveteran, der in einer Spezialeinheit gedient hatte. Er hat mir Geschichten erzählt, mir das Jagen beigebracht und alles, was man wissen muss, um zu überleben. Als er den Hof verlor, dachte ich mir, warum nicht zum Militär gehen? Er hat mir gefälschte Papiere besorgt, und ich habe mich verpflichtet.«
    »O Gregg, das tut mir so leid. Kein Kind sollte so etwas durchmachen müssen.«
    »Es braucht dir nicht leidzutun. Mir geht’s gut.«
    Sein Ratschlag, sich nicht wegen der Handlungen anderer schlecht zu fühlen, kam ihr wieder in den Sinn. Es ging ihm keinesfalls gut. Wie sollte es auch. Jetzt konnte sie allerdings seine Kontrollsucht besser verstehen – er hatte als Kind keinerlei Kontrolle gehabt, und das waren die Konsequenzen. Auch sein Bestreben, die dunklen Kräfte in der Welt zur Verantwortung zu ziehen, die Unschuldigen Böses antaten, war für sie jetzt nachvollziehbar.
    Ihr Herz drohte vor Mitleid mit ihm überzugehen.
    Sie hatte sich damals auf der Stelle in Gregg van Halen verliebt, weil er unglaublich gut aussah und diese geheimnisvolle verführerische Art an sich hatte. Der aufregende, leicht grenzwertige Sex hatte sie noch stärker an ihn gebunden. Aber ihre Gefühle gingen mittlerweile noch viel tiefer. Von Anfang an hatte sie gespürt, was für eine verletzliche Seele in diesem Mann schlummerte, der sich solche Mühe gab, das vor allen um ihn herum zu verbergen. Auf ihre Liebe hatte er mit unfassbar starker Sehnsucht und Loyalität geantwortet. Beides hatte ihr schon früher den Atem

Weitere Kostenlose Bücher