ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
zum Beispiel, mit der er Kokain von Kolumbien nach Mexiko schmuggelte. Für den letzten Streckenabschnitt - von Mexiko in die USA - waren die Boeings freilich ungeeignet, es bedurfte wendigerer und kleinerer Flugzeuge wie der Cessna des Lufttaxiunternehmens Taxceno (Taxi Aereo del Centro Norte), dessen Hauptaktionär Amado wurde. Seitdem nannten sie ihn »El Senor de los Cielos«, den Herrn der Lüfte.
Der Kokainkrieg wurde nach einem genauen Haushaltsplan geführt. Der größte Rechnungsposten - fünf Millionen Dollar im Monat - waren die Schmiergelder für Polizisten, Staatsbedienstete und Militärs in ganz Mexiko sowie Löhne und Geschenke. Weitere Kostenpunkte waren die Aufwendungen für repräsentative Zwecke, wie etwa der Palast aus Tausendundeiner Nacht, den Amado in Hermosillo im Bundesstaat Sonora kaufte. Das monströse Schloss, nur ein paar hundert Meter entfernt und damit in provozierender Nähe zur Residenz des Gouverneurs gelegen, erinnert mit seinen Zwiebeltürmen an russisch-orthodoxe Kirchen oder den Kreml und mit seinen strahlend weißen, heute über und über mit Graffiti besprühten Mauern an die Paläste der indischen Maharadschas: ein vergoldetes Refugium, unzugänglich selbst für die engsten Mitarbeiter. Bevor der Boss jemanden empfing, wurde der von El Flaco gecheckt, Amados »Verwaltungsdirektor«, der für die Öffentlichkeitsarbeit des Juarez-Kartells und die Beziehungen zu den politischen und militärischen Einrichtungen verantwortlich
war. Als der Herr der Lüfte noch nicht so bekannt war, sei er, so wird erzählt, oft ins Ochoa Bali Hai gekommen, eines der bekanntesten Fischrestaurants von Mexico City. Sein Stammplatz war in der Nähe der Toiletten. Er bestellte für sich selbst drei Gänge Meeresfrüchte, und seine Bodyguards, die die Umgebung streng überwachten, konnten essen, was sie wollten. Dann stand er auf, bezahlte in Dollars, gab dem Koch und den Kellnern ein üppiges Trinkgeld und ging, wie er gekommen war: als ganz normaler Gast. Auch nachdem er wegen illegalen Waffenbesitzes und Autodiebstahls ins Gefängnis kam, musste er nicht auf die gewohnten Annehmlichkeiten verzichten: erlesene Weine, schöne Frauen und ungehinderten Kontakt zu seinen Vertrauten.
Amados genauen Aufenthaltsort kannte niemand, denn er wechselte ständig zwischen seinen zahllosen Residenzen, die im ganzen Land verstreut waren. Exzentrik und Prunksucht auf der einen sowie umsichtige Finanzentscheidungen und obsessive Sicherheitsvorkehrungen auf der anderen Seite machten ihn zum perfekten Drogenschmuggler: gut aussehend und grausam, intelligent und draufgängerisch, mutig und weichherzig. Ein Held unserer Zeit. Er knüpfte Kontakte zu einigen Bossen des Guadalajara-Kartells, kontrollierte Flughäfen und geheime Start- und Landebahnen, bestach Jose de Jesus Gutierrez Rebollo, den Leiter der mexikanischen Drogenbekämpfungsbehörde, der Schmiergelder in Millionenhöhe erhielt und mit seinen Leuten zu Amados bewaffnetem Arm wurde. Rebollo nutzte sein dichtes Informationsnetz, um Ama-dos Feinde und Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Amado plante sogar einen Deal mit der mexikanischen Regierung: Der mexikanische Staat sollte fünfzig Prozent seiner Vermögenswerte erhalten. Dafür würde er mit der Regierung kooperieren, um die Gewalt zwischen den Kartellen zu beenden und zu garantieren, dass das Rauschgift nicht Mexiko, sondern nur die Vereinigten Staaten und Europa infizierte. Im Gegenzug wollte er in Ruhe gelassen werden, um weiter unbehelligt seinen Geschäften nachgehen zu können.
Aber dafür blieb ihm keine Zeit mehr.
Am 2. November 1997 machte die Polizei auf der Autopista del Sol, die Mexico City mit Acapulco verbindet, den makabren Fund dreier Leichen in zementgefüllten Tonnen. Sie wurden als drei renommierte Fachärzte für plastische Chirurgie identifiziert, die wenige Wochen zuvor verschwunden waren.
Sie waren gefoltert und anschließend getötet worden; man hatte ihnen die Augen herausgerissen und die Knochen gebrochen. Sie waren so übel zugerichtet, dass die Folterer die Muskeln eines der drei Opfer mit Stricken hatten zusammenbinden können. Zwei waren mit Kabeln erdrosselt, der dritte mit einem Genickschuss getötet worden. Ihr Vergehen? Sie hatten es gewagt, Amado Carrillo Fuentes zu operieren, der wie viele Narcos sein Aussehen hatte verändern wollen. Vier Monate zuvor, am 4. Juli 1997, war der Herr der Lüfte in Zimmer 407 des Krankenhauses Santa Monica in Mexico City nach dem
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