ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Leben kamen. Vor El Barbas’ Grab auf dem Friedhof Jardines del Humaya in Culi-acan wird ein abgeschlagener Kopf deponiert. Zehn Tage später verhaftet die mexikanische Bundespolizei in Culiacan Arturos Bruder Carlos Beltran Leyva. Er hatte bei einer Verkehrskontrolle einen gefälschten Führerschein vorgezeigt. Gerüchten zufolge hatte erneut El Chapo der Polizei Informationen geliefert, die zu Carlos’ Festnahme führten. Nach Arturos Tod kommt es zu erbitterten Führungskämpfen innerhalb des Kartells: auf der einen Seite die Statthalter Edgar Valdez Villarreal, »La Barbie«, und Gerardo Alvarez-Vazquez, genannt »El
Indio«; auf der anderen Seite die Gruppe unter Führung von Hector Beltran Leyva, »El H«, und seines Vertrauensmanns Sergio Villarreal Barragan, eines ehemaligen Beamten der mexikanischen Bundespolizei, der aufgrund seiner mehr als zwei Meter Körpergröße »El Grande« oder »King Kong« genannt wird. Sie alle werden verhaftet, bis auf Hector, der heute den Rest des Kartells kontrolliert. Die Vereinigten Staaten haben eine Belohnung von fünf Millionen Dollar und die mexikanische Regierung eine Belohnung von 30 Millionen Pesos auf ihn ausgesetzt. Er ist ein Finanzgenie und hat nach Jahren in der Anonymität dank seines Geschäftstalents und der guten Beziehungen zu seinen neuen Verbündeten, den Zetas, die Führung der Gruppe übernommen.
Der Krieg zwischen den Beltran Leyva und ihren alten Geschäftspartnern vom Sinaloa-Kartell wütet nicht nur in Culi-acan und Sinaloa, sondern ist bis in die USA vorgedrungen, nach Chicago, wo die Zwillinge Margarito und Pedro Flores operieren, amerikanische Staatsbürger mit mexikanischen Wurzeln. Ihr Lkw-Fuhrpark verbindet rund um die Uhr und sieben Tage die Woche Los Angeles mit den Städten des Mittleren Westens. Sie sind zuverlässige und effiziente Spediteure. Ihren Auftraggebern garantieren sie den Transport von monatlich zwei Tonnen Kokain und Heroin von der Grenze zu der Stadt am Michigansee. Doch ihr Problem ist ihre Unersättlichkeit. Sie arbeiten zwar eng mit dem Sinaloa-Kartell zusammen, pflegen aber auch Beziehungen zu den Beltran Leyva. Als El Chapo davon erfährt, schickt er einige seiner Leute nach Chicago, um zu verhindern, dass sein Vertriebsmonopol von rivalisierenden Kartellen bedroht wird. Die Flores-Zwillinge werden vom Sinaloa-Kartell bedroht, aber auch von der US-Drogenpol-izei DEA observiert und 2009 verhaftet. Sie arbeiten mit der
Polizei zusammen und fügen mit ihren Aussagen dem komplizierten Puzzle der Schmuggelrouten El Chapos und der Beltran Leyva weitere Teilchen hinzu.
Ein paar Monate zuvor hatten die Vereinigten Staaten dem König von Sinaloa einen weiteren Schlag versetzt, als sie siebenhundertfünfzig Mitglieder des Kartells auf US-amerikanischem Territorium verhafteten: eine kleine Streitmacht. Die amerikanischen Präsidenten sprechen kaum darüber, aber in ihrem Land stehen ganze Legionen bereit. In den einundzwanzig Monaten der Operation wurden in den USA zwischen der West- und der Ostküste mehr als 59 Millionen Dollar in bar sichergestellt, mehr als 12 000 Kilo Kokain, mehr als 7000 Kilo Marihuana, mehr als 500 Kilo Methamphetamine, rund 1,3 Millionen Ecstasy-Pillen, mehr als acht Kilo Heroin, 169 Waffen, 149 Fahrzeuge, drei Flugzeuge und drei Schiffe. Ein großer Erfolg, der jedoch nur ein Pyrrhussieg war, wie sich bald herausstellte. Die US-amerikanischen Behörden hatten dem Sinaloa-Kartell ins Auge geblickt, doch was sie sahen, war ein multinationaler Konzern mit Stützpunkten und Dependancen in der ganzen Welt. In seinem Vorstand sitzen Supermanager, deren Netzwerke den ganzen Erdball umspannen. Vom Sinaloa-Kartell bezahlte Narcomanager dienen als Kontaktpersonen in zahlreichen Ländern Südamerikas. Während die Medien schweigen, erobert El Chapo Westafrika und ist den Ermittlungen zufolge im Begriff, auch in Spanien Fuß zu fassen.
Für El Chapo sind Drogen ein Mittel zum Zweck, und die totale Kontrolle der 608 Kilometer langen Grenze zwischen Mexiko und Arizona ist der Treibriemen seiner persönlichen Wirtschaft. Er ist bereit, neue Unternehmungen zu wagen und sogar in das Geschäft mit hielo einzusteigen. Hielo oder Ice
steht nicht für gefrorenes Wasser, sondern für Methamphet-aminkristalle, deren Wirkung sechs bis zwölf Stunden oder länger anhält. Es ist billiger als Kokain und macht einen schneller fertig. Wenn man übertreibt, kommt es zu einem Parasitäreffekt: Man hat das Gefühl, unter der
Weitere Kostenlose Bücher